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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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schob ihren Abrechnungszettel zur Seite, öffnete eine Tür neben der
kleinen Zelle, und Guillam drückte sich hinein.
    »Nicht
sehr komfortabel, nicht wahr?« sagte das Mädchen und verzog den Mund. Ihre
Stimme klang fast kultiviert - wahrscheinlich eine Londoner Studentin, die
sich ein Taschengeld verdient, dachte Guillam. Er rief das Hotel Clarendon an
und verlangte Mr. Savage. Fast unmittelbar darauf hörte er Smileys Stimme.
    »Er ist
da«, sagte Guillam. »Die ganze Zeit hier gewesen. Muß sich noch ein zweites
Billett gekauft haben. Er ist vorne im Parkett gesessen. Mendel hat ihn
plötzlich bemerkt, wie er den Gang hinaufhinkte.«
    » Hinkte?«
    »Ja, es
ist nicht Mundt, es ist der andere, Dieter.«
    Smiley
antwortete nicht, und nach einer Weile sagte Guillam: »George, sind Sie noch
da?«
    »Wir
sitzen in der Patsche, fürchte ich, Peter. Wir haben nichts gegen Frey
vorzubringen. Lassen Sie Ihre Leute nach Hause gehen. Sie werden Mundt heute
abend nicht finden. Ist der erste Akt schon vorbei?«
    »Es muß
gleich Pause sein.«
    »Ich bin
in zwanzig Minuten drüben. Passen Sie wie der Teufel auf Elsa auf - und wenn
sie weggehen und sich trennen, dann soll Mendel sich an Dieter anhängen.
Während des letzten Aktes stellen Sie sich im Foyer auf, für den Fall, daß sie
früher weggehen.«
    Guillam
legte den Hörer in die Gabel und wandte sich dem Mädchen zu. »Danke«, sagte er
und legte vier Pennies auf ihren Tisch. Sie sammelte sie rasch zusammen und
drückte sie ihm in die Hand.
    »Um Gottes
willen«, sagte sie, »machen Sie mein Unglück nicht noch größer.«
    Er ging
hinaus auf die Straße und sprach mit einem Kriminalbeamten in Zivil, der auf
dem Gehsteig herumbummelte. Dann eilte er zurück ins Theater und kam zu Mendel
zurück, gerade als der Vorhang nach dem ersten Akt fiel.
     
    Elsa und
Dieter saßen Seite an Seite. Sie redeten ganz fröhlich miteinander, Dieter
lachte, Elsa war animiert und gesprächig wie eine Marionette, die ihr Meister
zum Leben erweckt hatte. Mendel beobachtete sie fasziniert. Sie lachte über
irgend etwas, das Dieter gesagt hatte, beugte sich vor und legte ihre Hand auf
seinen Arm. Er sah ihre dünnen Finger auf dem Ärmel seines Smokings und
bemerkte, wie Dieter den Kopf neigte und ihr etwas zuflüsterte, das sie wieder
zum Lachen brachte. Während Mendel ihnen so zusah, wurde die Beleuchtung
langsam schwächer, und das Reden des Publikums verstummte in der Erwartung des
zweiten Aktes.
     
    Smiley
verließ das Hotel Clarendon und ging langsam auf dem Gehsteig dem Theater zu.
Wenn er jetzt darüber nachdachte, leuchtete es ihm ein: Es war nur logisch, daß
Dieter gekommen war. Mundt zu schicken wäre ja heller Wahnsinn gewesen. Wie
lange wohl Elsa und Dieter brauchen würden, um daraufzukommen, daß es nicht
Dieter war, der sie gerufen hatte, nicht Dieter, der die Postkarte durch einen
vertrauten Kurier geschickt hatte. Das wird ein interessanter Moment sein. Er
wünschte sich aus ganzer Seele die Gelegenheit zu noch einem Gespräch mit Elsa
Fennan.
    Wenige
Minuten später ließ er sich ruhig auf dem leeren Sitz neben Guillam nieder. Es
war lange her, daß er Dieter gesehen hatte.
     
    Er hatte
sich nicht verändert. Er war noch immer derselbe unwahrscheinliche Romantiker
mit dem Zauber eines Scharlatans, dieselbe unvergeßliche Gestalt, die in den
Ruinen Deutschlands gekämpft hatte, unerbittlich am Ziel festhaltend, satanisch
in den Mitteln, dunkel und schnell wie die Götter des Nordens. Smiley hatte
ihnen damals an dem Abend in seinem Klub nicht die Wahrheit gesagt. Dieter war
tatsächlich ohne Maß. Seine Schlauheit, seine Ideen, seine Stärke und seine
Träume - alles war größer als das Leben selbst und nicht durch den mäßigenden
Einfluß der Erfahrung gemildert. Er war ein Mann, der nur in absoluten
Begriffen dachte und handelte, ein Mann ohne Geduld oder Kompromißbereitschaft.
    Wie Smiley
an diesem Abend so in dem dunklen Theater saß und Dieter über die Masse der
bewegungslosen Köpfe hin beobachtete, kamen ihm Erinnerungen an frühere
Zeiten. Erinnerungen an gemeinsam bestandene Gefahren, an gegenseitiges
Vertrauen, als damals jeder das Leben des andern in der Hand gehalten hatte . .
. Einen kurzen Augenblick lang dachte Smiley fast, Dieter hätte ihn gesehen,
hatte er das Gefühl, daß Dieters Augen auf ihn gerichtet wären und ihn im
Halbdunkel beobachteten.
    Als der
zweite Akt dem Ende zuging, erhob sich Smiley, und als der Vorhang fiel, verschwand
er

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