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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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wir den Sinn für die
Perspektive der Dinge, wenn die Ereignisse auf uns einstürmen. Aber alte
Kampfgenossen, George, wie wir sind, kann man nicht so leicht von der Spur
abbringen. Ich freue mich darauf, Sie wieder bei uns zu sehen, sobald Sie
gesund sind, und inzwischen betrachten wir Sie weiter als ein altes, treues
Mitglied unseres Stabes.«
     
    Smiley
legte den Brief weg und wandte sich dem nächsten zu. Im ersten Augenblick
erkannte er die Handschrift nicht und starrte einen Moment verständnislos auf
die Schweizer Marke und das Briefpapier eines teuren Hotels. Plötzlich wurde
er ein wenig schwach, der Brief verschwamm vor seinen Augen, und er hatte kaum
die Kraft in den Fingern, den Umschlag aufzureißen. Was wollte sie? Wenn es
Geld war, dann konnte sie alles haben, was er besaß. Sein Geld konnte er ja
ausgeben, wie es ihm paßte. Wenn es ihm Spaß machte, es auf Ann zu verschwenden,
dann würde er es tun. Sonst gab es nichts, was er ihr hätte geben können. Sie
hatte es schon vor langer Zeit selber genommen. Seinen Mut, seine Liebe, sein
Mitgefühl, alles hatte sie munter in ihrer kleinen Juwelenkassette mitgenommen,
um damit gelegentlich einmal am Nachmittag, wenn die Sonne Kubas heiß
herunterbrannte, zu tändeln. Sie ließ diese Dinge vielleicht vor den Augen
ihres neuen Liebhabers in ihren Fingern baumeln und verglich sie mit ähnlichen
kleinen Schmuckstücken, die ihr andere vorher oder später gebracht hatten.
     
    »Mein
liebster George,
    ich möchte
Dir ein Angebot machen, das kein Gentleman annehmen könnte. Ich möchte zu Dir
zurückkommen.
    Ich bleibe
bis Ende dieses Monats im Baur-au-Lac in Zürich. Schreib mir.
    Ann«
     
    Smiley
nahm den Umschlag und drehte ihn um: »Madame Juan Alvida.« Nein, wirklich,
diesen Vorschlag konnte kein Gentleman annehmen. Kein Traum konnte das
Tageslicht von Anns Abreise mit ihrem zuckersüßen Lateinamerikaner und sein
Orangenschalengrinsen überleben. Smiley hatte einmal im Kino in der Wochenschau
einen Bericht gesehen, wie Alvida irgendein Rennen in Monte Carlo gewonnen
hatte. Das Widerwärtigste daran waren die Haare auf seinen Armen gewesen,
erinnerte er sich. Mit seiner Schutzbrille, dem Motoröl im Gesicht und mit
diesem lächerlichen Lorbeerkranz hatte er genau wie ein vom Baum heruntergefallener
Orang-Utan ausgesehen. Er hatte ein weißes Tennishemd mit kurzen Ärmeln
getragen, das auf rätselhafte Art während des Rennens rein geblieben war, und
dadurch fielen einem diese schwarzen Affenarme mit noch größerer
Widerwärtigkeit in die Augen.
    Ja, das
war Ann: Schreib mir! Kauf dein Leben zurück, sieh nach, ob es noch einmal
gelebt werden kann, und schreib mir! Ich bin meines Liebhabers müde, mein
Liebhaber ist meiner müde, also laß mich wieder deine Welt zertrümmern: meine
eigene ist mir langweilig. Ich möchte zu dir zurück ... ich möchte, ich möchte
. . .
    Smiley
stand auf. Noch immer den Brief in der Hand, blieb er vor der Porzellangruppe
stehen. Einige Minuten lang betrachtete er die kleine Schäferin. Sie war so
entzückend.
     
    Der letzte Akt
     
    Die
Vorstellung des dreiaktigen Stückes >Edward II.< fand vor ausverkauftem
Haus statt. Guillam und Mendel saßen nebeneinander am äußersten Ende des
Bogens, der ein großes U vor der Bühne bildete. Von der linken Seite des
Kreisendes konnte man die hinteren Parkettsitze sehen, die sonst unsichtbar
waren. Ein leerer Platz trennte Guillam von einer Gruppe junger Studenten, die
voll aufgeregter Erwartung miteinander flüsterten.
    Sie
blickten aufmerksam auf das Meer von dauernd in Bewegung befindlichen Köpfen
und flatternden Programmen, durch die plötzlich Wellen auf und nieder gingen,
wenn später Ankommende ihre Plätze einnahmen. Die Szene erinnerte Guillam an
einen orientalischen Tanz, bei dem winzige Gesten von Hand und Fuß einen
bewegungslosen Körper beseelen. Gelegentlich sah er ins hintere Parkett, aber
von Elsa Fennan und ihrem Gast war noch nichts zu sehen.
    Gerade als
die von einem Band wiedergegebene Ouvertüre zu Ende ging, warf er wieder einen
kurzen Blick auf die beiden leeren Sitze in der hintersten Reihe, und sein Herz
machte einen plötzlichen Sprung, als er dort die schlanke Gestalt Elsas sah,
die steif und bewegungslos in das Auditorium starrte, wie ein Kind, das sich zu
benehmen lernt. Der Platz zu ihrer Rechten, neben dem Gang, war noch immer
leer.
    Draußen
auf der Straße fuhren die Taxis eines nach dem anderen hastig am Eingang des
Theaters vor, die Ankommenden

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