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Cash Out (German Edition)

Cash Out (German Edition)

Titel: Cash Out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bardsley
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aussehen muss, gehe ich auf ein Knie runter und binde langsam meinen Schuh neu. Als ich schließlich wieder hochkomme, dabei vor Schmerz zusammenzucke, den Kopf eingezogen halte wie eine Schildkröte, spüre ich, dass der Mann links von mir mich anstarrt. Ich werfe einen Blick in seine Richtung, erwidere sein Lächeln und nicke. Er ist älter, vielleicht irgendwas um die siebzig, hat dichtes, silbergraues Haar, ein wettergegerbtes Gesicht und feuchte Augen, die zwar dunkle Ringe haben, aber auch funkeln.
    «Sie sitzen in der Klemme, was?»
    Ich spähe durch die Menschenmenge, und es gelingt mir nicht, Krista auszumachen.
    Ich kehre mich wieder ihm zu. «Ja, ich fürchte, das trifft es ganz gut.»
    «Und nicht nur in einer …» Er mustert mein Gesicht, lässt den Blick wandern von dem Mal auf meiner Stirn, das mir die Schaufel zugefügt hat, über die geschwollene Nase zu den frischen Kratzern, Schrammen und Einkerbungen überall auf meinem Hals und Kopf. «Sondern in vielen, verteilt über mehrere Tage. Habe ich recht?»
    Ich stelle meine Füße weit auseinander, um mich kleiner zu machen, und drehe mich ihm dann wieder zu. «Ja, nun, ich denke –»
    «Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich das jetzt sage, aber es sieht aus, als ob jemand Ihr Gesicht in einen Käfig voller verwilderter Katzen gedrückt hätte.» Er unterbricht sich, sieht fort und blinzelt. «Ich kannte tatsächlich mal einen Mann, dem ist das wirklich passiert.»
    Ich lege eine Hand um die Kassette in meiner Hosentasche und drücke sie. «Ich wünschte, es wäre bloß ein Käfig voller verwilderter Katzen gewesen.»
    «Sind Sie sicher, dass Sie nicht von den U.S. Marshals gesucht werden?»
    Ich sehe mich um. «Nein. Damit könnte ich umgehen. Es ist eine Rothaarige.»
    Er lacht, sieht meine Pflaster an. «Was machen Sie beruflich, wenn ich fragen darf?»
    Ich senke meinen Kopf ein wenig, werfe einen Blick hinter mich. Keine Krista. «Hightech.»
    Er strahlt. «Dann sind Sie ein Mann zur richtigen Zeit in der richtigen Branche.»
    Ich lächle gepresst. «Ja, vermutlich.»
    «Bei wem arbeiten Sie?»
    «FlowBid.»
    Er richtet sich begeistert auf. «Tatsächlich?»
    Ich sehe mich um, nicke. «Jepp.»
    «Ich muss Ihnen sagen, dass ich die Hälfte meiner Ruhestandsrücklagen in euch Leute gesteckt habe, sobald ihr an die Börse gegangen seid.»
    Ich fühle mich hundsmiserabel. «Wow.»
    Er strahlt. «Ja, und Sie haben mich nicht enttäuscht. Mein Anlageberater hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um es mir auszureden.» Er leckt sich über die Lippen, senkt den Blick und kneift bei der Erinnerung die Augen zusammen. «Aber ich hatte jedes einzelne Wort gelesen, das jemals über euch geäußert wurde, und es sieht ganz so aus, als wäret ihr eine bombensichere Anlage. Falls es so was überhaupt gibt.»
    «Tja –»
    «Solange euer CEO nicht von einem Bus überfahren wird.»
    Ich blicke fort und lache leise.
    «Kümmern Sie sich auch gut um ihn?»
    «Bitte?»
    «Um Fitzroy. Euren CEO .»
    «Oh.» Ich kratze mich im Nacken, schnipse ein Sandkorn weg. «Ja.»
    «Nächstes Jahr werde ich verkaufen. Meine Frau und ich, wir werden es dann wieder in Pfandbriefe und Geldmarkteinlagen investieren. Aber ein paar davon werden wir auch …» Seine Stimme wird milde. «… unserer Enkeltochter Janie überschreiben.»
    Ich drücke die Bandkassette und versuche, ihm in die Augen zu sehen.
    «Sie hat so hart an sich gearbeitet, und meine Frau und ich sind der Ansicht, sie hat es sich verdient, aufs College zu gehen.»
    Ich schließe die Augen, meine Stimme versagt. «Sie sind ein guter Großvater, Sir.»
    «Sie will Krankenschwester werden.» Er summt beinahe. «Sie wissen schon, den Menschen wirklich helfen.»
    Ein weiterer Schlag in den Bauch, der schlimmste bislang.
    Ich öffne die Augen und zwinge mich, seinem Blick standzuhalten. «Sie müssen sehr stolz auf sie sein, Sir.»
    «Nun …» Seine Augen triefen. «Ich sage Ihnen …» Nun versagt seine Stimme. «… Sie ist ein ganz besonderes Mädchen.»
    Ich knie mich wieder hin, öffne diesmal den anderen Schnürsenkel und binde ihn erneut. Die Kassette in meiner Tasche fühlt sich heiß und schwer an, aber ich weiß, dass ich mir das nur einbilde. Mit jeder weiteren Sekunde wird es immer klarer. Je länger ich über den Mann neben mir nachdenke, über die Hunderttausende von Menschen genau wie er, Leute, die uns ihre Ersparnisse anvertraut haben, ihre Pensionen, das Geld, in dem Blut,

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