Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
Kann ich dich wieder mit nach Hause nehmen?« Ich lächelte durch meine Tränen hindurch. Er antwortete nicht gleich, sondern lehnte sich vor, um zu sehen, ob Fanny hinter mir stand. »Ich weiß, daß du hier eine verwirrende Zeit durchgemacht hast, aber jetzt ist alles vorbei. Du kommst wieder zurück zum Hasbrouck-Haus, zu deinem Zimmer und deinen Spielsachen. Logan wartet schon auf uns«, fügte ich hinzu, als er sich nicht rührte. »Und alle deine neuen Freunde, und Mr. Appleberry…«
»Fanny hat gesagt, daß du meinen Papa gehaßt hast«, sagte er, und Unsicherheit zeigte sich auf seinem Gesicht.
»Ich haßte ihn nicht, Drake. Ich liebte ihn. Aber ich dachte immer, er liebte mich nicht. Wir hatten ein schweres Leben, als wir in deinem Alter waren.« Ich kniete mich neben ihn und nahm seine Hände in meine. »Manchmal ist es nicht leicht, jemanden zu lieben, selbst wenn man es sich sehr wünscht.«
»Warum?« Er sah mich skeptisch an. Aber über die Neugierde, die so typisch war für sein Alter, mußte ich lächeln. Ich dachte über Luke nach, über Troy und Tony. Ihre Liebe für mich und meine Liebe für sie wurde verzerrt und ging verloren im Laufe der Zeit.
»Weil sie nicht zulassen, daß du sie liebst. Sie haben Angst davor, oder sie haben Angst vor ihren eigenen Gefühlen. Ich hoffe, daß es für dich leicht sein wird zu lieben, Drake. Ich weiß, daß es für mich leicht sein wird, dich zu lieben.«
Er betrachtete mich eingehend. Ich konnte beinahe seinen kleinen Verstand arbeiten hören.
»Warum ist es so schwer?« fragte er und zuckte die Schultern. Ich lachte und umarmte ihn.
»Oh, es sollte nicht so schwer sein. Du hast recht, Liebling. Es sollte leicht sein zu lieben und schwer zu hassen. Laß es uns beide so machen, so soll es immer zwischen uns bleiben, okay?«
Er nickte, und ich stand auf. Seine Hand lag noch immer in meiner.
»Gehen wir jetzt?« fragte er.
»Ja, Liebling.«
Wir gingen zum Wohnzimmer hinaus, wo Fanny noch immer auf dem Sofa saß. Drake starrte sie erwartungsvoll an.
»Du wirst jetzt doch bei Heaven wohnen, Drake, mein Schatz. Sie hat ein größeres Haus und Bedienstete und kann besser für dich sorgen. Aber wir werden uns trotzdem von Zeit zu Zeit sehen. Sei einfach ein braver Junge und vergiß deine Schwester Fanny nicht«, sagte sie und streckte die Arme aus. Drake sah erst mich an, bevor er zu ihr hin ging. Ich nickte. Fanny umarmte ihn, gab ihm einen Kuß und ließ ihn dann gleich wieder los.
»Mach’s gut, Fanny!« Sie blickte mich an, dann drehte sie sich um und starrte aus dem Fenster. Wieder einmal war sie allein. Vielleicht würde Randall wiederkommen, überlegte ich, vor allem, wenn er herausfand, wieviel Geld Fanny haben würde. Aber der Gedanke gab mir auch kein besseres Gefühl. »Sorge dafür, daß dich dein Anwalt nicht betrügt, Fanny«, riet ich ihr. Sie nickte ohne mich anzusehen. »Komm, Drake«, sagte ich, und wir gingen los.
Als ich Drake ins Auto gesetzt hatte, sah ich noch einmal zurück. Sie hatte das Gesicht ans Fenster gedrückt, eingerahmt vom Frost. Ein Bild der Einsamkeit. Sie würde reich sein. So reich, daß sie das Gefühl haben konnte, endlich aufgeholt zu haben. Aber dabei würde sie so arm sein.
Auf der Heimfahrt zum Hasbrouck-Haus war Drake sehr still, aber als wir die Auffahrt hinauffuhren, strahlte er wie ein Weihnachtsbaum.
»Ist mein Feuerwehrauto noch da?« fragte er.
»Natürlich ist es da, Liebling. Alle deine Spielsachen sind noch da.«
Er öffnete seine Tür und rannte um das Auto herum. Ich folgte ihm zur Tür. Als wir eintraten, kam Logan aus einem der Zimmer. Sein Gesicht erhellte sich sofort.
»Hallo, alter Freund«, sagte er. »Willkommen daheim.«
Ich weinte beinahe, als Logan einen Satz machte, Drake in seine Arme nahm und seine Wange mit Küssen bedeckte.
»Er hat noch nichts zu Abend gegessen, Logan.«
»O nein? Prima, denn Roland macht gerade einen Rinderbraten. Einen schönen, großen Rinderbraten. Was hältst du davon, alter Knabe?«
»Ich liebe Rinderbraten, es ist mein Lieblingsessen. Ich habe es sonst immer an meinem Geburtstag bekommen. Ist heute mein Geburtstag?«
Logan und ich brachen beide in lautes Gelächter aus. Ich war so glücklich, daß ich nicht mehr aufhören konnte zu lachen.
Drake blickte etwas verwirrt drein, aber dann lachte er mit. Er war wirklich zu Hause, und in diesem Moment wußte ich, daß wir schon längst eine richtige Familie waren.
19. KAPITEL
Die
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