Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
sogar gegen die Einwände seiner Eltern. Ich war ihm so dankbar! Er hatte seinen Spaß daran zu verfolgen, auf welche Weise ich die Leute aus Winnerow mit denen aus den Bergen zusammenbringen wollte. Ich hatte beschlossen, daß es das schönste Hochzeitsfest werden sollte, das Winnerow je gesehen hatte. Wenn ich auf den Altar zuschreiten würde, sollten die Leute nicht einfach denken, ich sei ein Emporkömmling; ich war jemand, der genauso gut war wie sie. Ich erinnerte mich daran, wie ich vor Jahren mit Juwelen behängt durch die Kirche geschritten war, als wäre ich einem Modeheft entstiegen. Trotz meiner großartigen Aufmachung hatten die Leute aus dem Ort die Nase über mich gerümpft. Die Leute aus den Bergen gehörten in die hinteren Reihen, und die, die für Gott wertvoller waren, kamen nach vorn.
Meine Hochzeit sollte anders werden. Ich lud viele Familien aus den Bergen ein. Alle Kinder aus meiner Klasse sollten kommen. Meine Schwester Fanny sollte meine Brautjungfer werden. In den letzten zwei Jahren, seit ich nach Winnerow zurückgekehrt war, hatte ich Fanny nicht sehr oft gesehen. Es schien, als könne Fanny ihre Eifersucht und ihren Neid nicht aufgeben – obwohl ich, wie immer, alles versucht hatte, ihr zu helfen. Logan hielt mich über Fannys Affären und Aktivitäten auf dem laufenden. Offensichtlich wurde in Winnerow häufig über sie geklatscht. Seit ihrer Scheidung von dem alten Mallory tuschelte man über ihre Beziehung zu einem viel jüngeren Mann, Randall Wilcox, dem Sohn des Rechtsanwalts. Randall war erst achtzehn und seit einem Jahr auf dem College, Fanny dagegen war eine geschiedene Frau von zweiundzwanzig Jahren.
Eine Woche, nachdem wir unsere Verlobung bekanntgegeben hatten, fuhr ich hinauf zu dem Haus, das Fanny von dem Geld des alten Mallory gekauft hatte. Das Haus lag oben auf einem Berg, war grellrosa gestrichen und hatte rote Fensterrahmen. Ich hatte mit Fanny seit über einem Jahr nicht mehr gesprochen. Damals hatte sie mir vorgeworfen, ich würde ihr alles wegnehmen, was ihr gehörte. In Wirklichkeit aber war sie es, die ständig versucht hatte, alles zu stehlen, was mir gehörte, besonders Logan.
»Das ist aber eine Überraschung«, rief sie in dramatischer Übertreibung aus, als sie die Tür öffnete. »Fräulein Heaven höchstpersönlich kommt auf Besuch zu ihrer armen Schwester aus dem Volk.«
»Ich bin nicht gekommen, um mit dir zu streiten, Fanny. Ich bin viel zu glücklich, um mich über irgend etwas aufzuregen.«
»So?«
Sie setzte sich schnell auf die Couch. Ich merkte, daß sie neugierig wurde.
»Logan und ich werden im Juni heiraten.«
»Stimmt das?« fragte sie ungläubig. Sie sackte sichtlich in sich zusammen.
Warum konnte sie sich nicht einmal mit mir freuen?
»Du weißt doch, daß wir uns wieder getroffen haben.«
»Ich kann doch nicht alles wissen! Du kommst ja nie vorbei, und reden tun wir erst recht nicht miteinander.«
»Du weißt genau, was in Winnerow passiert, Fanny. Aber wie dem auch sei – möchtest du meine Brautjungfer werden?«
»Wirklich?« Ihre Augen leuchteten auf. Dann sah ich das böse Feuer in ihnen zurückkehren. »Ich kann es jetzt noch nicht sagen, Heaven, Liebste. Ich bin ziemlich eingespannt. An welchem Tag genau ist deine Hochzeit?«
Ich sagte es ihr.
»Nun« – Fanny tat so, als müsse sie nachdenken –, »ich hatte an dem Wochenende eigentlich schon was vor. Weißt du, mein neuer Freund geht viel mit mir aus, auf College-Feten und so. Vielleicht kann ich alles verschieben. Wird es eine vornehme Hochzeit?«
»Das kann man wohl sagen!«
»Hast du vor, deiner lieben Schwester ein vornehmes, teures Kleid zu kaufen? Und fährst du mit mir in die Stadt, um es auszusuchen?«
»Ja.«
Sie dachte einen Augenblick lang nach.
»Kann ich Randall Wilcox mitbringen?« fragte sie. »Du weißt vielleicht schon, daß wir zusammen sind. Weißt du, er sieht im Frack einfach umwerfend aus. Die Männer kommen doch im Frack, oder?«
»Ja, Fanny, wenn du es gern möchtest. Ich schicke ihm eine Einladung.«
»Ja, das möchte ich gern«, sagte sie.
Und so wurde es gemacht.
Meine Einladung an Pa war die letzte, die ich losschickte. Ich ging den Bergpfad ein bißchen früher hinunter als gewöhnlich, so daß ich es vor meinem letzten Unterrichtstag noch schaffte, auf die Post zu gehen. Ich glaube, ich war genauso aufgeregt wie damals, als ich mich auf den Weg machte, um das erste Mal vor den Schülern zu stehen. Als ich mein Klassenzimmer
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