Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
hatte mir ein goldenes Medaillon gekauft, das ein Bild von ihm und Mammi enthielt. Es hing an einer vierundzwanzigkarätigen Goldkette und glänzte mehr als jedes andere Schmuckstück, das ich je gesehen hatte. Er legte die Kette um meinen Hals, küßte und drückte mich so fest an sich, daß mir beinahe die Luft wegblieb. Dann sah er meinen überraschten Blick.
    »Ich kann nichts dafür«, flüsterte er. »Du bist jetzt eine junge Dame, und ich habe Angst, mein kleines Mädchen zu verlieren.«
    »O Daddy, ich werde immer dein kleines Mädchen sein«, rief ich.
    Er küßte mich wieder und hielt mich fest an sich gedrückt, bis Mammi sich räusperte.
    »Ich habe hier etwas, das Annie jetzt bekommen soll«, verkündete sie. Ich traute meinen Augen kaum, denn das, was sie in den Händen hielt, bedeutete ihr mehr als die kostbarsten Juwelen, die sie besaß. Und nun wollte sie es mir schenken! Ich dachte an die Tage zurück, als ich ein kleines Mädchen gewesen war und noch nicht zur Schule ging. Jeden Morgen saßen wir in ihrem Schlafzimmer an ihrem Toilettentisch, und sie bürstete mir das Haar. Und dabei hörten wir jene wunderschöne Melodie von Chopin… Ein verträumter Ausdruck trat in ihre Augen, und um ihre schönen Lippen spielte ein kleines Lächeln.
    Neben uns, auf einem niedrigen Tisch, stand ein kleines Häuschen, das ich Mammis Puppenhaus nannte, wenngleich es kein wirkliches Puppenhaus war. Es war eines der wenigen Tatterton-Spielzeuge, das wir bei uns zu Hause hatten: eine Spielzeughütte mit einem Irrgarten aus Hecken davor. Ich durfte es nicht berühren, aber manchmal hob sie das Dach hoch und ließ mich hineinsehen. Im Inneren befanden sich zwei Personen, ein Mann und ein junges Mädchen. Der Mann lag auf dem Boden ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Sein Blick war auf das junge Mädchen gerichtet, das aufmerksam dem zu lauschen schien, was er sagte.
    »Was erzählt er ihr, Mammi?«
    »Er erzählt ihr eine Geschichte.«
    »Was für eine Geschichte, Mammi?«
    »Oh, eine Geschichte von einer wunderbaren Welt, in der sich die Menschen immer geborgen und behütet fühlen, eine Welt, in der es nur Freundlichkeit und Schönheit gibt.«
    »Wo ist diese Welt, Mammi?«
    »Eine Zeitlang war sie in dieser Hütte.«
    »Kann ich auch in diese Welt gehen, Mammi?«
    »O mein Liebling, das hoffe ich!«
    »Warst du einmal in dieser Welt, Mammi?«
    Sie sah mich an. Ihre leuchtenden Augen waren blauer als der Himmel, und das strahlende Lächeln, das auf ihren Lippen lag, ließ ihr Gesicht noch sanfter und schöner erscheinen. Sie sah nun selbst aus wie ein kleines Mädchen.
    »O ja, Annie, ich war dort – einmal.«
    »Und warum bist du weggegangen, Mammi?«
    »Warum?« Sie sah sich suchend um, als hoffte sie die Antwort auf einem Stück Papier zu finden, das sie irgendwo hatte liegen lassen. Dann wandte sie ihren Blick wieder mir zu, und in ihren Augen glitzerten Tränen. »Weil, Annie… weil es zu schön war, um es zu ertragen.«
    Natürlich hatte ich sie damals nicht verstanden, und ich wußte auch heute noch nicht, was sie damit gemeint hatte. Wie konnte etwas zu schön sein, um es zu ertragen?
    Aber ich dachte damals nicht weiter darüber nach. Ich wollte die kleinen Möbel und das Geschirr sehen. Alles war so vollkommen! Ich hatte alles anfassen wollen, aber sie hatte es mir verboten, da die Gegenstände zu empfindlich waren.
    Und jetzt schenkte sie es mir! Ich sah hinüber zu Daddy. Seine Augen waren schmal geworden, während er auf die Hütte starrte. In seinem Blick stand etwas sehr Seltsames.
    »Nein, Mammi! Ich weiß, wieviel es dir bedeutet«, protestierte ich.
    »Aber du bedeutest mir doch noch viel mehr, mein Liebling«, erwiderte Mammi und überreichte mir die Hütte. Ich ergriff sie vorsichtig mit beiden Händen und stellte sie auf meinen Nachttisch, damit sie in Sicherheit wäre.
    »O danke! Ich werde sie immer in Ehren halten«, versicherte ich. Ich war überglücklich, denn mit dieser Hütte verbanden sich für mich Träume und Sehnsüchte, von denen meine Mutter nichts wußte. Immer wenn ich den Mann und die Frau betrachtet hatte, hatte ich an Luke und mich gedacht. Gemeinsam würden wir weglaufen und dann glücklich zusammen in einer solchen Hütte leben…
    »Gern geschehen, mein Liebling.«
    Meine Eltern standen vor mir und lächelten mich an. Sie sahen beide so jung und glücklich aus. Welch ein wunderbarer Morgen, dachte ich. Ich wünschte, daß mein achtzehnter Geburtstag nie

Weitere Kostenlose Bücher