Cathérine de Montsalvy
seine ganze blühende Seligkeit in Gestalt frischer Blumen aus, die den Obstgarten auf der langen, von Mauern umschlossenen Terrasse über der Loire schmückten. Es war, als würfe die Natur endlich den Alpdruck des Winters und des verspäteten Frühlings von sich, als versuche die geschundene Erde des Königreichs, Rache zu nehmen für all die Verwüstungen, die vielen Tränen und das vergossene Blut. Und Cathérine entdeckte mit Erstaunen, daß im Schatten dieser Festung die Rosen noch Knospen trieben. Es war so lange her, daß sie eine Rose gesehen hatte!
Vom durch die niedrige Pforte leuchtenden frischen Grün des Obstgartens angezogen, ging sie sachte darauf zu, als einige von Pagen begleitete Damen herauskamen, in der Mehrzahl junge Mädchen, die Blumenkränze auf ihrem langen, gelösten Haar und gleichartige hellblaue Kleider trugen. Sie umgaben eine große, stolze und prächtige Frau, deren hochmütige Schönheit durch eine prunkvolle Robe aus orange- und goldfarbenem Brokat noch erhöht wurde. Der schwere Stoff schien aus demselben Material gewoben zu sein wie ihr üppiges rötliches Haar. Saphire blitzten an ihrer tiefdekolletierten Brust und der riesigen Haube, die das Haupt königlich krönte. Jedermann machte ihr auf ihrem Wege Platz und grüßte respektvoll. Cathérine hätte diese Frau zweifellos für die Königin persönlich gehalten, wenn sie sie nicht wiedererkannt hätte und ihr Herz nicht sofort vor Bitterkeit angeschwollen wäre. Wie festgenagelt im Staub des Hofes stehend, sah sie mit vor Haß funkelnden Augen der holden, blaugekleideten Schar der die Dame La Trémoille umschwärmenden Ehrendamen entgegen, jene Frau, die es gewagt hatte, Arnaud zu lieben und ihn foltern zu lassen, weil er sie abgewiesen hatte, sie, der Cathérine den Tod geschworen hatte!
Sie merkte, wie Chryssoula unruhig an ihrem Überhang zupfte, aber sie war unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Noch nie war Cathérine von einem so rohen, so brutalen Verlangen, zu töten, durchdrungen gewesen.
So starr war ihre Unbeweglichkeit, daß die große, rothaarige Frau auf sie aufmerksam wurde. Sie runzelte die Stirn und rief ihr mit einer herrischen Bewegung zu:
»He! Das Mädchen da! Komm mal her!«
Weder für Gold noch für Silber hätte Cathérine auch nur einen Schritt tun können. Sie war wie versteinert. Nur ihre zornsprühenden Augen lebten noch, doch hinter ihrer Schulter spürte sie, wie Chryssoula zitterte. Eine der jungen Damen des Gefolges mußte die alte Griechin erkannt haben, denn sie murmelte einige Worte ins Ohr ihrer Herrin, deren schöne Lippen sich zu einem verächtlichen Lächeln schürzten, während sie gleichzeitig die Schultern hob.
»Ah, ich verstehe! Wieder eins der Freudenmädchen, mit denen mein Gemahl sich vergnügt! Meinen Segen hat er, wenn er sich in solch schlechter Gesellschaft herumtreibt!«
Und die prächtige Gruppe verschwand im königlichen Logis, ohne sich weiter um Cathérine zu kümmern. Die Alte zerrte so heftig an ihr, daß sie sich schließlich in Bewegung setzte und sich widerstandslos zum Schloßturm führen ließ. Dabei dachte sie, daß sie an dem Tag, an dem sie La Trémoille töten würde, auch noch Zeit finden müsse, sich um seine Frau zu kümmern.
Sie war gerade im Begriff, mit ihrer Bewacherin die niedrige Tür zu durchschreiten, als sie sich plötzlich von zwei kräftigen Händen gepackt fühlte, so daß sie sich einmal um sich selbst drehte. Trotz seiner beschmutzten und abgetragenen bäuerlichen Kleidung erkannte sie Fero und unterdrückte einen Schreckensruf, so verklärt war das Gesicht des Zigeuneranführers.
»Seit Tagen irrte ich um dieses Schloß herum, sinnierte, wie ich in diesen Hof eindringen könnte, weil ich hoffte, dich wiederzusehen, von dir zu hören. Und jetzt sehe ich dich!«
»Geh, Fero«, rief sie. »Du darfst nicht hierbleiben! Die Zigeuner haben hier keinen Zutritt ohne besondere Erlaubnis. Wenn man dich erwischt …«
»Das ist mir gleich! Ich konnte nicht mehr leben, ohne dich wiederzusehen! Das Gift der Liebe ist in mir, Tchalaï, es brennt in meiner Seele und in meinem Blut … und du hast es mir eingeflößt!«
Man konnte sich unmöglich über die Leidenschaft täuschen, die im Blick des jungen Zigeuners loderte. Cathérine war von Entsetzen erfüllt, um so mehr als die alte Chryssoula sich vergeblich bemühte, Feros Hände wegzureißen, und unartikulierte Schreie ausstieß.
»Um Himmels willen, geh! Wenn die Wachen …«
Sie hatte
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