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Cathérine de Montsalvy

Titel: Cathérine de Montsalvy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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die sie in einer Tasche auf der Innenseite besagten Hemdes trug und die sie nach ihrem Bad in den weiß-grünen dalmatinischen Umhang gesteckt hatte, den man ihr gegeben hatte und den sie immer noch besaß. Wovon sprach Tristan also?
    Nach einem behutsamen Reinigungsprozeß, denn sie hatte den Eindruck, daß ihr Teint seit einigen Tagen etwas heller wurde und helle Stellen sich an ihren Haarwurzeln zeigten, schlüpfte sie in die Kleider, die Chryssoula ihr reichte und die einfach und proper, aber nicht unelegant waren. Eine Robe aus grauem Barchent, ein Hemd aus feinem Linnen, ein plissierter Brustschleier und eine Haube aus weißem Linnen, ein Gürtel und ein ziemlich großer Almosenbeutel aus Leder, der Cathérine seltsam prall vorkam. Offenbar wollte La Trémoille nicht, daß sie auffiel. Sie sollte sich unter die Dienerinnen mischen und in nichts die Aufmerksamkeit der Schloßbewohner erregen.
    Als sie den Almosenbeutel an den um ihre Hüften geschnallten Gürtel hängte, zitterten Cathérines Finger ein wenig. Sie verging fast vor Neugier, um so mehr, als die Dicke des Leders es ihr unmöglich machte zu erspüren, was drin war. Aber eine kleine Willensanstrengung genügte, um sich vorzeitige Nachforschungen zu versagen. Sie nahm statt dessen den weiten, ärmellosen Mantel aus feiner schwarzer Wolle, der als letztes ihrer Ausstattung hinzugefügt worden war, legte ihn sich um die Schultern und gab Chryssoula ein Zeichen, daß sie fertig sei. Die Alte öffnete die Tür und ging vor ihr her durch das riesige, prächtige Gemach des Großkämmerers, einen wahren Tempel aus Gold, in dem selbst die Bettvorhänge und die Kissen der Sessel im Widerschein des magischen Metalls glänzten. Dann traten sie auf die schmale Treppe des Schloßturms hinaus.
    Dort war es düster, und im Schutze ihres Mantels durchsuchte Cathérine hastig den Almosenbeutel. Er enthielt ein Taschentuch, einen Rosenkranz, einige Geldstücke; dann entdeckten ihre Finger eine kleine Pergamentrolle und schließlich einen Gegenstand, der sie vor Freude erbeben ließ, so daß sie zwei-, dreimal darüber hinstrich, um sich zu vergewissern, daß sie sich nicht irrte: ein Dolch! Der Sperberdolch der Montsalvys! Arnauds Dolch, den sie bei ihren Männerkleidern hatte lassen müssen! Inbrünstiger Dank stieg in Cathérines Herz für Tristan auf. Er hatte an alles gedacht! Er wachte wirklich gut über sie und hatte erraten, daß sie lieber zustoßen würde, als sich dem Großkämmerer hinzugeben!
    Mit beschwingten Schritten stieg sie die letzten Stufen der dunklen Treppe hinter Chryssoula hinab, die wie eine Maus vor ihr her trippelte. Sie war frei! Frei, zu leben oder zu sterben, frei, zu töten oder Gnade walten zu lassen! Als sie auf den Hof hinaustrat, sandte sie einen triumphierenden, frohen Blick zum weiten, heiteren Himmel empor, jetzt hatte sie das Mittel, ihren Feind zu schlagen, ihre Rache zu kühlen! Was spielte es für eine Rolle, was danach mit ihr geschah?
    Aber sie schwebte noch nicht hoch genug in den Wolken, um nicht brennend gern wissen zu wollen, was in diesem Pergamentröllchen stand. Zweifellos hatte Tristan ihr etwas Wichtiges mitzuteilen. Wie fing man es an, die Botschaft in Ruhe lesen zu können? Erklären, man sei müde und wolle wieder hinaufgehen? Jetzt schon? Das würde vielleicht Verdacht erwecken. Besser, sie wartete noch ein wenig. Eine halbe Stunde mehr oder weniger spielte zweifellos keine Rolle …
    Im riesigen Hof des Schlosses wimmelte es von Menschen, die geschäftig durcheinanderquirlten. Eine Kompanie Bogenschützen begab sich zu den Zinnen hinauf, und die Sonnenstrahlen ließen ihre Helme funkeln. Aus dem steil ansteigenden Torgewölbe, das durch ein jetzt hochgezogenes Fallgatter geschlossen werden konnte, tauchten knarrend mit Holz beladene Karren auf, um im Hof entladen zu werden. An ihnen vorbei stiegen Wäscherinnen zum Fluß hinunter, die mit Wäsche gefüllten Körbe kunstgerecht auf den Köpfen balancierend. Neben dem imposanten, aber strengen königlichen Logis erwarteten Jäger, bereits zu Pferd, Falken auf den mit dickem Leder behandschuhten Fäusten, offenbar einen anderen Jäger, zweifellos von hohem Rang, während eine Gruppe plappernder Hofdamen mit spitzen, schleierumwogten Hauben dem Obstgarten zustrebte. Cathérine, die alte Chryssoula auf den Fersen, irrte einen Augenblick inmitten dieses Gewimmels herum und genoß das einfache Vergnügen der Sonne auf ihren Schultern. Der Monat Mai breitete jetzt

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