Cathérine de Montsalvy
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Ein Trompetenstoß hinter ihr ließ sie sich umwenden. Der Tag war jetzt sehr klar … Unter den Sonnenstrahlen flimmerte die Loire zwischen ihren grünen Ufern wie ein Feuerstrom, und von diesem unter den Brücken vorbeifließenden blendenden Grund hoben sich die prächtigen Farben eines imposanten Zuges ab. Ritter in Kriegsharnischen, die sich deutlich von einer Schar Damen in hellen Kleidern im Sattel friedfertiger Zelter unterschieden, umgaben eine große Sänfte, deren blauseidene Vorhänge, mit Goldlilien bestickt, zurückgeschlagen waren. Darin saßen, sorgsam in weißes Musselin gehüllt, eine Dame, eine Amme, die ein Baby trug, zwei Kammerzofen und drei kleine Mädchen zwischen drei und acht Jahren. Eine Kompanie Arkebusiere, Pagen und Herolde gingen dem großen Gefährt voraus, dem voran ein Standartenträger ein großes Banner schwang, auf dem Cathérine mit plötzlich stärker klopfendem Herzen das Wappen Frankreichs verschlungen mit dem von Anjou bemerkte. Unwillkürlich war sie stehengeblieben, aber der Sergeant drängte sie schon mit den Bogenschützen auf die grüne Böschung.
»Die Königin! Platz für die Königin! Und vergiß nicht niederzuknien, Zigeunerin, wenn unsere Gute Dame vorüberkommt!«
Cathérine bedurfte dieser Mahnung nicht. Marie d'Anjou, Königin von Frankreich, war eine furchtsame, schüchterne Frau, aber sie hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, und Cathérine war lange Monate eine ihrer Ehrendamen gewesen. Es war zwar höchst unwahrscheinlich, daß sie sie in ihrer Vermummung als Zigeunerin wiedererkennen würde, doch in der Kleidung der Dienerin eines hochgestellten Hauses, in der Linnenhaube, die ihr Haar verbarg, blieben als Maskierung nur noch ihr etwas dunklerer Gesichtsteint und ihre schwarzen Augenbrauen übrig. Schon in der vergangenen Nacht, während sie sich aufs Bett setzte, hatte die Dame La Trémoille ihre neue Kammerzofe mit nachdenklichen Augen betrachtet.
»Komisch!« hatte sie gesagt. »Mir scheint, daß ich dich schon irgendwo gesehen habe. Du erinnerst mich an jemand … aber ich weiß nicht, an wen!«
Cathérine hatte diese glückliche Gedächtnislücke gesegnet und schnell geantwortet, daß die edle Dame sich wahrscheinlich an eine ihrer Schwestern erinnere, die zum Tanzen ins Schloß gekommen sei. Es war nicht nötig, daß die Gräfin zu lange in ihrem Gedächtnis nachforschte. Und tatsächlich schien sie nicht mehr darüber nachzudenken. Dies jedoch wäre eine Katastrophe, wenn die Königin sie wiedererkennen würde! …
Als die königliche Kavalkade, von den Freudenrufen der aus Amboise herbeigeeilten Leute verfolgt, in ihrer Nähe vorbeikam, beeilte sie sich, niederzuknien und höchst demütig den Kopf zu senken … um so mehr als im selben Augenblick ein Trupp von Herren aus dem Schloß ritt, um die Herrscherin willkommen zu heißen, und dieser Trupp von Gilles de Rais angeführt wurde.
Glücklicherweise schenkte er ihr keinerlei Aufmerksamkeit, und als die Sänfte hinter den Vorwerken der Festung verschwunden war, glaubte Cathérine, den Kopf wieder heben zu können. Nur um die Beine eines vor ihr haltenden Pferdes zu sehen, während eine jugendliche Stimme trocken fragte:
»Was hat diese Frau getan, Sergeant? Und warum hast du sie verhaftet?«
Der hochmütige Ton ließ Cathérine erröten, die sich, ohne eigentlich zu wissen, warum, schuldig fühlte. Außerdem konnte der Fragende kaum älter als zehn Jahre sein. Mager, mit gelbem Teint, schwarzem, glattem Haar, war dieser Junge mit breiten, knochigen Schultern, einer großen Nase und einem Paar kleiner schwarzer, seltsam lebhafter und für ein so junges Wesen scharfsinniger Augen versehen. Er hatte nichts Verführerisches an sich, aber aus der hochmütigen Art, wie er den Kopf hielt, aus der Schönheit des Pferdes, dessen Zügel er fest mit den nervösen Händen umfaßte, und besonders aus seiner teils roten, teils schwarzweißen Kleidung, Leibgedinge der Prinzen königlichen Blutes, schloß Cathérine, daß sie den Dauphin Louis, den ältesten Sohn des Königs, vor sich hatte.
Schnell beeilte sich der Sergeant, rot vor Stolz zu antworten:
»Ich habe sie nicht verhaftet, Monseigneur, ich begleite sie lediglich auf Befehl der Sehr Hohen und Sehr Edlen Dame de La Trémoille.«
Mit offenem Mund sah Cathérine den Dauphin die Schultern zucken, sich hastig bekreuzigen und dann ungeniert auf den Boden spucken.
»Zweifellos irgendeine maurische Sklavin! Ich hasse dieses verfluchte
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