Cathérine de Montsalvy
sie:
»Hast du, worum ich dich bat?«
Cathérine nickte zwar zustimmend, kreuzte aber die Arme über der Brust, als wollte sie das verteidigen, was sie in ihr Mieder gesteckt hatte.
»Ich habe es, aber ich habe noch einiges zu sagen …«
Die Hand der Gräfin streckte sich schon aus, während ihre habsüchtigen Augen zwischen den dicken, braungetönten Lidern funkelten.
»Sag's schnell … und gib her! Ich bin in Eile!«
»Gestern habt Ihr mir für diesen Trank Gold angeboten. Ich habe abgelehnt, ich lehne nach wie vor ab … aber ich will etwas anderes!«
Ein leises Lächeln verzog die Lippen der Dame, aber ein unheimliches Licht flackerte in ihrem Blick.
»Du hast es ja bereits gesagt: Du willst mir dienen. Gib her!«
»Jawohl, ich habe es gesagt, und ich wiederhole es, aber heute morgen haben sich die Dinge geändert. Unser Stammesführer ist Gefangener in diesem Schloß. Er hat den Tod zu gewärtigen. Ich möchte sein Leben!«
»Was geht mich das Leben eines Wilden an? Gib dieses Fläschchen her, wenn du nicht willst, daß ich es dir durch meine Frauen entreißen lasse.«
Langsam zog Cathérine das Fläschchen aus ihrem Brustschleier und nahm es in die Hand. Ihre Augen trotzten dem Zorn der Gräfin, während über ihre roten Lippen ein unmerkliches Lächeln glitt.
»Hier ist es! Wenn man aber auf mich losgeht, werfe ich es zu Boden, wo es zerbrechen wird. Wir haben keine Flaschen aus Gold oder Silber, wir Zigeuner … nichts als Ton! Und Ton ist zerbrechlich. Eure Frauen werden nicht die Zeit haben, es mir zu nehmen. Ich werde es entzweimachen … ebenso, wie ich es zerbrechen werde, wenn Fero den Seinen nicht zurückgegeben wird!«
Auf dem verkrampften Gesicht ihrer Gegnerin konnte sie den Kampf sehen, den die Wut, die Leidenschaft und die Begierde gegeneinander führten. Das letzte gab den Ausschlag.
»Warte einen Augenblick. Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
Ohne sich die Mühe zu machen, ihr Haar hochzustecken, hüllte die Gräfin Kopf und Schultern in ein grünes Seidentuch und ging hinaus. Allein geblieben, setzte Cathérine sich auf die am Kamin aufgehäuften Kissen. Die Luft dieses Raumes erstickte und ängstigte sie gleichzeitig. Alle diese zu schweren Parfüme kamen ihr wie die Ausdünstung der giftigen Frau vor, die hier wohnte. Ihre fiebrigen Finger suchten unter ihrem Kleid die harten Umrisse des Dolches, liebkosten den ziselierten Griff, als wollte sie Hilfe von ihm erbitten. Wie oft hatte die Hand Arnauds sich um diese Waffe geschlossen, so daß sie etwas von seiner Kraft auf sie übertragen haben mußte … Doch als sie die straffe Gestalt ihres Gatten wieder heraufbeschwor, stiegen ihr die Tränen in die Augen, brennend und groß vor Schmerz … Was war zu dieser Stunde von seinem kräftigen Körper, seinem schönen Gesicht noch übrig? Wie weit hatte die Lepra sie schon verwüstet? … Eiskalter Schrecken durchfuhr sie, als sie an die Leprakranken dachte, die sie auf seinem Weg getroffen hatte, fürchterliche Ruinen von grauem Fleisch, die nichts Menschliches mehr an sich hatten und die mitunter zum Grab der Heiligen pilgerten, um eine unmögliche Heilung zu erflehen … Diese Frau, die soeben hinausgegangen war, war die Ursache allen Übels, das über Arnaud gekommen war und das ihr das Herz brach. Mit welcher Lust hätte sie ihr die Klinge ins Herz gebohrt, die jetzt bei der Berührung mit ihrem Fleisch warm geworden war! Aber sie mußte warten … immer noch warten! Mit Überdruß vergrub Cathérine den Kopf in ihren Händen und versuchte, die schmerzlichen Bilder zu verdrängen, die ihren Mut brachen. Plötzlich stellte sich eine andere Gestalt vor ihrem geistigen Auge ein: die eines blonden Mannes, dessen helle Augen sie zärtlich anblickten und der am Arm eine schwarzweiße Binde trug. Dieses Bild war schön, beruhigend und süß. Dennoch vertrieb Cathérine es auch, wie eine Entweihung, als hätte Pierre de Brézé versucht, ihr Herz zu zwingen, das Bild Arnauds daraus zu verbannen …
Die Rückkehr der Dame de La Trémoille riß sie aus ihren Gedanken. Die Gräfin musterte die kauernde junge Frau einen Augenblick von oben bis unten und lächelte dann, doch aus diesem Lächeln las Cathérine eine Grausamkeit heraus, die sie aufmerken ließ.
»Komm«, sagte sie. »Du wirst zufrieden sein!«
Wie in der vergangenen Nacht gingen sie eine hinter der anderen hinaus, aber es gab keine Mauertür. Sie stiegen zum Hof hinunter, überquerten ihn und umgingen den
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