Traumjäger (German Edition)
Kapitel 1
Wie alles begann
M ein Name ist Andreas Muskert. Ich bin 13 Jahre alt und ein Held. Vermutlich wird niemals jemand davon erfahren. Doch dieses Schicksal teile ich mit vielen anderen Helden. Tom sagt, die meisten Heldentaten geschehen im Verborgenen. Aber darin bestehe auch der besondere Reiz. Jeder, der dir begegnet, kann schließlich ein Held sein! Oder einer werden. Man kann nie wissen…
Es kommt mir beinahe so vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich ganz still auf der großen Astgabel in dem alten Baum saß. Er stand im verwilderten Garten des einsamen, verfallenen Häuschens. Hinter den schwach erleuchteten Fenstern liefen fremde Schatten nervös auf und ab. Ich konnte sie gut erkennen. Aber mich konnte niemand sehen. Und das war gut! Alles war dunkel um mich herum. Die Nacht lieh mir großzügig ihren Schutzmantel. Fast meinte ich, ich wäre unsichtbar. Niemand außer Tom wusste, dass ich hier war. Ich wartete auf sein Zeichen. Tom wollte mit der Taschenlampe dreimal kurz aufleuchten, damit ich Bescheid wusste. Dann sollte es losgehen. Wir hatten nämlich einen Plan, einen wirklich guten Plan. Aber, wie es mit Plänen nun mal so läuft, es kam alles ganz anders…
Noch vor wenigen Monaten teilte ich den weit verbreiteten Glauben, jedes Ding, jedes Bild und jedes Haus sei stumm und leblos. Heute denke ich das nicht mehr. Heute weiß ich nämlich, dass hinter allem quicklebendige Magie steckt.
Bei manchen Dingen ist es ganz einfach zu erkennen, ihr magisches Funkeln und Leuchten springt einem direkt ins Auge. Es ist wie bei einem Lichtstrahl, der auf ein Kristallglas trifft und sich in allen Farben des Regenbogens bricht. Vielleicht habt ihr das auch schon einmal beobachtet und dabei einen Hauch von Geheimnisvollem verspürt?
Bei anderen Dingen ist der Zauber mitunter sehr schwer zu erkennen. Man muss sie schütteln und drehen, ihnen tief auf den Grund gehen und hinter ihre stumme Fassade blicken, um ihre wahre Größe und Wundersamkeit zu erahnen.
Doch eines bin ich mir heute sicher: Magie ist überall. Da, wo du sie vermutest, und erst recht da, wo du sie nicht vermutest.
Und mit Magie meine ich nicht so etwas wie einen Zaubertrick! Nein, wenn ich Magie sage, dann meine ich das natürliche Wunder, das uns zu allem fähig macht, weil es das offen legt, was in Wirklichkeit schon in uns steckt. Ohne dass wir auch nur die leiseste Ahnung davon haben! So hat es mir Tom erklärt. Und nach allem, was wir zusammen erlebt haben, finde ich, dass er Recht hat. Er sagt auch, dass Magie überall ist: in Dingen, in anderen Menschen, in einem Wort, in einem Blick und sogar in uns selbst!
Es war Magie, die Tom und mich zu diesem seltsamen Ort geführt hatte. Und es ist Magie, die in der goldenen Taschenuhr mit der langen, fein geschmiedeten Kette steckt, um die es in dieser Geschichte – in meiner Geschichte – geht.
Aber nun zum Anfang. Am besten ich beginne mit dem Zeitpunkt, als mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass ich ein besonderes Talent habe. Mit dem Zeitpunkt, als ich anfing zu träumen.
Schon mein ganzes Leben lang, also zumindest so lange wie ich zurückdenken kann, war ich ein stiller Junge und redete nicht viel. Nicht nur, weil es nichts Besonderes zu erzählen gab, sondern vielmehr auch deswegen, weil ich niemanden hatte, der mir zuhörte. Da waren wohl meine Eltern, doch ihr wisst ja selber, wie das ist: Erwachsene verstehen Kinder einfach nicht so gut. Auch wenn sie es vielleicht versuchen. Ich glaube, irgendetwas trennt die Kinder von der Erwachsenenwelt und die Erwachsenen von der Kinderwelt. Aber vielleicht muss es ja so sein.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Zwar selten – aber es gibt sie. Diese Erwachsenen unterscheiden sich nur vom Alter her von uns Kindern. Eigentlich sind sie Kind geblieben. So wie Tom. Tom und ich, wir sind beste Freunde. Aber bevor alles anfing, kannte ich ihn gar nicht. Das heißt, nicht so richtig.
Fast jeden Tag, wenn ich durch den Stadtpark zur Schule lief, sah ich ihn. Stets saß er auf der grünen Parkbank neben den zwei hohen Birken. Natürlich nur, wenn das Wetter mitspielte. Er schaute den Hunden zu, die ausgelassen über die grünen Wiesen tollten, lauschte dem Morgengezwitscher der Vögel; manchmal blätterte er auch einfach nur in einer Zeitung.
Wenn ich auf seiner Höhe war, blickte er kurz auf. Seine Augen fesselten mich von Anfang an. Sie schauten hell und interessiert unter dichten Augenbrauen hervor. Viel zu jung waren diese
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