Cathérine de Montsalvy
Schloßturm, um zum Gefängnisturm zu gelangen. Auf dem Weg erkannte Cathérine Tristan l'Hermite bei einer Gruppe von Stallknechten, die auf einem großen Stein Würfel spielten. Als sie vorüberkam, wandte er sich um und folgte ihr mit den Augen. Sein Blick war so gleichgültig und unbewegt wie üblich, aber aus seiner Beharrlichkeit schloß die junge Frau, daß er sich fragte, was sie in dieser Gesellschaft in den Gefängnissen zu suchen habe.
Eine Pforte im Rundgewölbe, so niedrig, daß man sich bücken mußte, um durchzugehen, öffnete sich am Fuß des Turmes. Kaum über die Schwelle getreten, spürte Cathérine, wie eine plötzliche Kälte ihre Schultern einhüllte. Die Sonne, die Wärme hielten sich draußen, außerhalb dieser Welt der Finsternis und der Leiden. Im hinteren Teil eines niederen Gewölbes, das als Wachstube diente, wo einige Bewaffnete im rauchigen Licht einer Öllampe Karten spielten, ging eine Treppe nach unten … Auf ein kurzes Händeklatschen der Gräfin stand einer der Soldaten auf, nahm eine Fackel, zündete sie an der Öllampe an und ging die Treppe hinunter voran. Aber auf diese Einzelheiten achtete Cathérine nicht, denn seit sie in die Wachstube getreten war, war ein fürchterliches Geräusch an ihre Ohren gedrungen, so daß ihr das Blut in den Adern gerann: das Echo eines menschlichen Stöhnens, das seltsamerweise gleichzeitig deutlicher und schwächer wurde, je weiter man hinabstieg. Als die beiden Frauen auf dem ersten Absatz angekommen waren, war dieses Stöhnen zu einem Röcheln geworden. Mit zusammengeschnürter Kehle und entsetzt erblickte Cathérine die schmale, aus reinem Eisen gemachte und mit riesigen Sperriegeln ausgerüstete Tür, die sich auf diesen Absatz öffnete. Durch ein vergittertes Guckloch drang ein unheilverkündendes rötliches Licht. Von da kamen die Wehklagen, gleichzeitig auch die regelmäßigen dumpfen Schläge, die mit dem Röcheln im selben Rhythmus zu fallen schienen.
Wortlos stieß der Soldat mit der Fackel die unverriegelte Tür auf. Cathérine konnte einen Ausruf des Schreckens und Abscheus nicht unterdrücken …
Vor ihr wechselten sich zwei in Leder gekleidete Folterknechte, die rasierten Schädel schweißnaß vor Anstrengung, bei der Auspeitschung eines Mannes ab, der mit den Handgelenken an das Kapitell einer Säule gebunden war … Die junge Frau sah La Trémoille nicht sofort, der in einem Winkel auf einem klobigen Holzsessel saß und zusah, das dreifache Kinn in die Hand gestützt. Seine Augen lagen gespannt auf dem Gefolterten, der noch schwach stöhnte. Die schlaff gewordenen Beine des Mannes trugen ihn nicht mehr, und das gesamte Gewicht seines Körpers hing an den gefesselten Handgelenken. Der Kopf mit dem langen schwarzen Haar hing kraftlos herunter, und der Rücken war ein einziger Brei, in den die Peitschen mit einem schrecklichen Geräusch klatschten. Der Boden war mit Blutflecken übersät … Krank vor Grauen, wich Cathérine gegen die Mauer zurück, konnte aber einen Blutspritzer auf die Wange nicht vermeiden.
Ihr Blick suchte den ihrer Begleiterin, doch die Dame de La Trémoille sah sie gar nicht an. Mit geblähten Nüstern und aufgerissenen Augen genoß sie so offensichtlich das Spektakel, daß es Cathérine zutiefst übel wurde. Der Mann stöhnte nicht mehr. Die Henker hörten auf zu schlagen, doch bevor noch einer der beiden mit einer brutalen Bewegung die langen schwarzen Locken, die über das Gesicht des Opfers hingen, beiseite schob, hatte die junge Frau Fero erkannt … Und plötzlich drängte sich ihr eine entsetzliche Vision auf. Statt des Zigeuners sah sie Arnaud, wie dieser an eine Säule gebunden, stöhnend und blutend unter der Peitsche eines Folterknechts, und hinter ihm diese ekelhafte Frau, die sich mit ihrer langen, spitzen Zunge über die trockenen Lippen fuhr. Dieser Folter war Arnaud in den Verliesen von Sully unterworfen worden, bevor Xaintrailles ihn aus der Haft befreite. Und die Vision war so erschreckend deutlich, daß eine Woge wilden Hasses in Cathérine aufwallte …
Voll blinder, unbeherrschter Wut suchte sie in ihrem Mieder Arnauds Dolch. Aber ihre zitternde Hand traf zuerst auf das Tonfläschchen und verhielt dort, überdies meldete die dumpfe Stimme des einen Folterknechts:
»Der Mann ist tot, Monseigneur …«
La Trémoille stieß einen gelangweilten Seufzer aus und wuchtete dann mit einiger Anstrengung seinen riesigen Körper aus dem Sessel.
»Er war weniger widerstandsfähig, als es
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