Cathérine de Montsalvy
den Anschein hatte. Werft ihn in den Fluß …«
»Keinesfalls!« mischte seine Frau sich ein. »Ich habe diesem Mädchen hier versprochen, daß er den Seinen wiedergegeben würde. Man schaffe ihn also zu ihnen zurück … und jage sie dann davon!« Ihr verschleierter, mit böser Freude geladener Blick wandte sich nun Cathérine zu, die sich, bleich und mit zusammengebissenen Zähnen, an die Mauer lehnte.
»Du siehst«, sagte sie mit gefährlicher Freundlichkeit, »ich tue alles, was du willst …«
Cathérines düstere Augen richteten sich auf sie, bohrten sich in den unverschämten, beleidigenden Blick, von so viel Haß und Verachtung brennend, daß die andere, widerwillig beeindruckt, einen Schritt zurücktrat. Langsam zog sie ihre Hand aus dem Mieder, die noch immer das Fläschchen umklammerte. Ihre Finger preßten sich mit einer allein aus ihrem Zorn geborenen Kraft zusammen, bis das leicht zerbrechliche Fläschchen zermalmt war. Dann schleuderte sie die Scherben mit einer heftigen Bewegung ihrer Feindin ins Gesicht:
»Und ich gebe, was ich versprochen habe …«, sagte sie tonlos.
Furchtbarer Zorn verzerrte das blasse Gesicht der Gräfin. Eine der Scherben hatte sie leicht an der Lippe verletzt, die ein wenig blutete und ihr das schreckliche Aussehen eines Vampirs verlieh. Sie wies mit einem vor Wut zitternden Finger auf Cathérine:
»Ergreift diese Frau, bindet sie an die Stelle ihres Genossen und schlagt, schlagt … bis auch sie krepiert!«
Cathérine begriff, daß sie verloren hatte, daß sie in einer Sekunde blinder Wut alles verdorben und zerstört hatte, ihre Rache und die Pläne der Königin Yolande. Sie begriff weiter, daß sie aus dieser Höhle nicht lebend herauskäme, doch seltsamerweise bereute sie mit keinem Gedanken, was sie getan hatte. Sie würde sich zweifellos als Preis für Arnauds Leiden und für die Leiden, die ihr bevorstanden, mit dem winzigen Blutstropfen der verletzten Lippe und der Wut dieser Frau zufriedengeben müssen, aber wenigstens lief der junge Graf von Maine nicht mehr Gefahr, und sei es auch nur für eine einzige Nacht, in die Klauen dieses abscheulichen Geschöpfs zu geraten.
Schon packten die beiden Folterknechte Cathérine, aber La Trémoille, der eben hatte hinausgehen wollen, war stehengeblieben, als die falsche Zigeunerin seine Frau attackiert hatte. Mit einer Neugier, die Vergnügen nicht ausschloß, hatte er ihren Streit verfolgt, hatte sich sogar gebückt, um einen Finger in die auf den Boden vergossene Flüssigkeit zu tauchen, und hatte daran gerochen. Er griff ein.
»Einen Augenblick, wenn ich bitten darf. Diese Frau ist mir übergeben worden. Also steht mir es zu, über sie zu verfügen … Ihr erinnert Euch, meine Teure, daß ich sie Euch nur … geliehen habe?«
Doch die Dame übertrug jetzt ihren Zorn auf ihren Gatten und ging mit geballten Fäusten auf ihn los:
»Sie hat mich beleidigt, hat mich angegriffen, diese Zigeunerhündin, diese dem Scheiterhaufen bestimmte Kreatur! Und Ihr zögert, sie zu bestrafen?«
»Ich zögere durchaus nicht. Sie wird bestraft werden … aber zu gegebener Zeit! Im Augenblick müßt Ihr Euch damit zufriedengeben, daß sie in den Kerker geworfen wird. Es ist da einiges, was ich gerne klären möchte.«
»Was noch?«
»Zum Beispiel … was in diesem Fläschchen war, dessen Verlust Euch so großen Kummer zu bereiten scheint!«
»Das geht Euch nichts an!«
»Um so mehr interessiert's mich. Los, ihr da, sperrt diese Frau ins Verlies. Und merkt euch, daß keiner sie ohne meinen ausdrücklichen Befehl anrühren darf. Ihr haftet mir mit eurem Leben.«
»Was für Vorsichtsmaßregeln!« zischte die Gräfin haßerfüllt, aber gebändigt. »Man könnte meinen, Gott verzeihe mir, daß Euch sehr viel an diesem Mädchen liege.«
»Gott kümmert sich nicht um Euch, meine Teure, ebensowenig, wie Ihr Euch um ihn kümmert. Was diese Frau betrifft, gewiß, sie ist mir wertvoll. Hat sie Euch nicht schaden wollen? Um ihren Haß zu erklären, muß es einen gewichtigen Grund geben. Ich liebe Euch zu sehr, um nicht zu versuchen, ihn kennenzulernen … mit allen Mitteln. Kommt Ihr?«
Er bot ihr mit einem spöttischen Lächeln die Hand. Cathérine schien es, als fürchte sich der dicke Kämmerer plötzlich weniger vor seiner Frau als sonst. Er hatte soeben eine Waffe gegen sie entdeckt und verstand es offenbar gut, sich ihrer zu bedienen. Sie gingen zur Tür, ein merkwürdiges, durch die soliden Ketten der Habsucht und des
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