Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Cathérine de Montsalvy

Titel: Cathérine de Montsalvy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
Vom Netzwerk:
unsere Dame. Gewöhnlich schläft sie neben dem kleinen Herrn. Sie ist eingeschlafen …«
    Während er sprach, nahm er eine Kerze von einer Truhe, ging leise zu einer draußen neben der Tür brennenden Fackel und zündete die Kerze an der rauchigen Flamme an. Dann kam er zurück, begab sich ans Kopfende des Bettes, in dem der kleine Michel schlief, und hob das zitternde Licht über den Kopf des Kindes. In größtem Erstaunen ließ Cathérine sich auf die Knie fallen und faltete die Hände wie vor dem Tabernakel.
    »Mein Gott!« stammelte sie. »Wie schön er ist! Und … wie er ihm schon ähnlich sieht!« fügte sie mit heiserer Stimme hinzu.
    Es stimmte. Unter dem dichten Gewirr seiner zerzausten goldenen Locken hatte der kleine Michel schon das klare Profil seines Vaters. Seine runden, rosigen Wangen, auf die die gebogenen Wimpern einen zarten Schatten warfen, waren noch ganz von kindlicher Süße, aber das Naschen hatte etwas Stolzes an sich, und eine eigenwillige Falte zeichnete den fest geschlossenen Mund.
    Cathérines Herz schmolz vor Zärtlichkeit, doch sie wagte nicht, sich über den Kleinen zu beugen. Er sah wie ein schlafendes Engelchen aus, und sie fürchtete, daß die geringste Bewegung ihn wecken würde. !
    Gauthier, der das Kind gleichfalls mit einer Art Stolz betrachtete, bemerkte es.
    »Ihr könnt ihn umarmen«, sagte er lächelnd. »Wenn er einmal schläft, kann neben ihm der Blitz einschlagen. Er zuckt nicht mit der Wimper.«
    Darauf beugte sie sich hinunter und drückte die Lippen mit Entzücken auf die kleine, ein wenig feuchte Stirn. Tatsächlich wachte Michel nicht auf, aber ein Lächeln huschte über seinen kleinen, fest zusammengepreßten Mund.
    »Mein Kleiner!« flüsterte Cathérine, von Liebe erstickt. »Mein ganz Kleiner!«
    Sie hätte ohne weiteres die ganze Nacht neben dem Bett ihres Sohnes kniend und seinen Schlaf bewachend zugebracht, doch aus dem anschließenden Zimmer drang ein Röcheln. Donatienne fuhr aus ihrem Schlummer auf, hastete in den hinteren Teil des Raums und war nicht mehr zu sehen.
    »Dame Isabelle muß aufgewacht sein!« flüsterte Gauthier.
    »Ich gehe hinein!« sagte Cathérine.
    Jetzt drang ein erschütterndes Atemgeräusch, von trockenem Husten unterbrochen, zu ihr heraus. Rasch betrat sie das Zimmer, das kaum größer als eine Mönchszelle und auch kaum weniger kahl war. Auf dem schmalen Bett in einer Ecke lag, sehr abgemagert, Isabelle de Montsalvy. Donatienne beugte sich über sie und versuchte, ihr etwas dampfenden Heilkräutertee aus einer Schale einzuflößen, die sie von einem kleinen Ölkocher genommen hatte.
    Aber die alte Frau war unfähig, auch nur einen Schluck hinunterzubringen. Wie sie gealtert und seit ihrer Abreise geschrumpft war, und wie zerbrechlich sie jetzt schien! Ihr Körper wirkte ätherisch, ohne jede Substanz, und im fahlen, völlig blutlosen Gesicht sah man nur noch den eingefallenen Mund, der nach Luft rang, und die zu groß gewordenen Augen.
    Donatienne wandte sich mit einem entmutigten Seufzer ab, um die Schale wieder zurückzustellen. Und jetzt sah sie Cathérine. Ihre müden Augen begannen zu strahlen, vor Freude und Tränen gleichermaßen.
    »Dame Cathérine!« stammelte sie. »Gott sei gelobt! Ihr kommt zur rechten Zeit!«
    Rasch legte Cathérine einen Finger auf die Lippen, um der alten Frau Schweigen zu gebieten, doch diese schüttelte traurig den Kopf.
    »Oh, wir können sprechen! Sie hört nichts! Das Fieber ist so stark, daß sie nur im Delirium spricht!«
    Tatsächlich drangen einige unzusammenhängende Worte über die pergamentenen Lippen der Kranken, unter denen Cathérine erschüttert ihren und Arnauds Namen unterscheiden konnte … Der heftige Hustenanfall hatte allmählich nachgelassen, doch die Atemzüge blieben schwer und röchelnd. Der Ausdruck der Augen war ein einziges Flehen. In ihrem Delirium schien Isabelle entsetzlich zu leiden, und Cathérine spürte, daß sie der Grund dieses Leidens war.
    Sacht nahm sie die brennend heiße Hand, die sich in den rauhen Stoff der Decke krampfte, und drückte ihre Lippen darauf. Dann legte sie sie an ihre Wange, wie sie es früher so oft getan hatte.
    »Mutter«, bat sie leise, »Mutter, hört mich! Seht mich an! Ich bin da … bei Euch! Ich bin's, Eure Tochter Cathérine … Cathérine!«
    Etwas schien sich in dem leeren, schmerzlichen Blick zu beleben. Der Mund schloß sich, öffnete sich wieder und hauchte:
    »Cathérine!«
    »Ja!« sagte die junge Frau beharrlich. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher