Cathérine de Montsalvy
erkannten. Nachdem man den Fluß hinter sich hatte, setzte man die Pferde in Galopp. Cathérine und ihre Eskorte verschwanden in einer Staubwolke.
Dritter Teil
Die Straße nach Compostela
Vierzehntes Kapitel
Es war nach zehn Uhr abends und dunkle Nacht, als Cathérine, Tristan l'Hermite und ihre Eskorte am Ende einer ermüdenden Reise vor Montsalvy ankamen. Das freundliche Sommerwetter hatte den Schlamm der Straßen ausgetrocknet, ihn aber auch in ebensoviel Staub verwandelt. Glücklicherweise hatte es den Reisenden auch ermöglicht, die Nächte unter freiem Himmel zu verbringen und täglich lange Wegstrecken zurückzulegen. Man hatte reichlich Verpflegung mitgeführt, und die Aufenthalte in Herbergen waren selten gewesen. Die meisten von ihnen hatten ohnehin nicht viel zu bieten.
Je mehr sie sich ihrem Ziel näherte, desto mehr schien Cathérines Ungeduld zu wachsen, und gleichzeitig verdüsterte sich ihre Stimmung. Sie wurde immer einsilbiger und ritt ganze Stunden lang, ohne ein Wort zu sprechen, die Augen auf den Weg vor ihr gerichtet, von fiebriger Eile besessen. Tristan beobachtete sie insgeheim, ohne freilich zu wagen, ihr Fragen zu stellen. Sie forcierte das Tempo soweit wie möglich und zeigte sich ärgerlich, wenn eine Rast eingelegt werden mußte. Aber die Pferde brauchten nun einmal Atempausen.
Indes, als man Aurillac passiert hatte, ließ die große Hast unversehens nach. Cathérine ließ das Tempo mehr und mehr verlangsamen, als fürchtete sie, sich den Bergen zu nähern, in denen Arnaud immer noch lebte. Und als die Wälle und Türme von Montsalvy auf der Hochebene auftauchten wie eine dunkle, der Nacht aufgesetzte Krone, zügelte die junge Frau ihr Pferd und hielt einen Augenblick an, mit schwerem Herzen diese Landschaft betrachtend, die kennenzulernen sie allzuwenig Zeit gehabt hatte. Tristan lenkte beunruhigt sein Pferd neben sie.
»Dame Cathérine, was habt Ihr?«
»Ich weiß nicht … Freund Tristan, mir scheint, ich habe plötzlich Angst.«
»Wovor?«
»Ich weiß nicht!« wiederholte sie mit müder Stimme. »Es ist wie … eine Vorahnung.«
Niemals hatte sie etwas Ähnliches wie diese erstickende Furcht vor dem empfunden, was sie hinter diesen stummen Mauern erwartete. Sie versuchte, vernünftig zu sein. Da drüben waren Michel, Sara, ohne Zweifel auch Gauthier. Aber selbst das Bild ihres kleinen Sohns vermochte das bedrückende Gefühl in ihrer Brust nicht zu lösen. Sie warf Tristan einen tränenfeuchten Blick zu.
»Reiten wir weiter«, sagte sie schließlich. »Die Männer sind müde!«
»Und Ihr auch!« brummte der Flame. »Vorwärts, Leute!«
Die Stadttore waren zu dieser späten Stunde geschlossen, aber Tristan setzte das Horn, das an seinem Gürtel hing, an den Mund und stieß dreimal hinein. Nach einem Weilchen beugte sich ein Mann mit einer Laterne über die Zinne.
»Wer ist da?«
»Öffnet!« rief Tristan. »Es ist die edle Dame Cathérine de Montsalvy, die vom Hofe zurückkehrt, öffnet! Im Namen des Königs!«
Der Wächter stieß einen unartikulierten Schrei aus. Das Licht verschwand, aber einige Augenblicke später öffnete sich knarrend das Tor der kleinen befestigten Stadt. Der Mann mit der Laterne erschien wieder, die Kappe in der Hand, und trat bis unter die Köpfe der Pferde heran, seine Laterne hebend.
»Wahrhaftig, es ist unsere Dame!« rief er freudig. »Gott segne sie, daß sie zu so gelegener Zeit ankommt. Man hat nach dem Amtmann geschickt, um sie würdig zu empfangen.«
In der Tat kam auf der einzigen schmalen Gasse eine schwankende Gestalt eilends angelaufen. Cathérine, plötzlich erleichtert, erkannte den alten Saturnin. Er kam mit der ganzen Schnelligkeit, die seine alten Beine ihm erlaubten, und rief:
»Dame Cathérine! Dame Cathérine kehrt zu uns zurück! Gott sei gelobt! Willkommen unserer Herrin!«
Er war ganz außer Atem. Bewegt und ein wenig belustigt, wollte Cathérine absteigen, um ihn zu begrüßen, aber er warf sich buchstäblich gegen das Pferd.
»Bleibt im Sattel, Herrin! Der alte Saturnin will Euch zur Abtei führen, wie er Euch damals zu seiner Meierei geführt hat.«
»Ich bin so glücklich, Euch wiederzusehen, Saturnin … und Montsalvy wiederzusehen!«
»Nicht so glücklich wie Montsalvy, Euch wiederzusehen, gnädige Dame. Seht!«
Wirklich öffneten sich wie durch ein Wunder sämtliche Fenster und Türen, Köpfe lugten heraus, Männer und Frauen traten über die Schwellen, Fackeln wurden geschwenkt. Im
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