Cathérine de Montsalvy
das!«
Und während Cathérine ihren Sohn mit einer Heftigkeit umarmte, die auf ihr übersprudelndes Herz schließen ließ, zog Sara den Normannen zum Kaminsims. In wenigen Worten hatte Gauthier alles berichtet: Cathérines Rückkehr, die Krankheit der Dame Isabelle, die seltsame nächtliche Vision der jungen Frau, das Verschwinden der beiden Pferde und schließlich das Drama von Calves. Sara hörte ihn an, ohne ihn zu unterbrechen, mit gerunzelter Stirn, nicht die geringste Einzelheit des Berichts übersehend. Als er geendet hatte, verharrte sie einen Augenblick mit verschränkten Armen, das Kinn in der Hand, stumm auf den Rost des Kamins starrend, wo man Reisig aufgehäuft hatte.
Schließlich ging sie zu Cathérine zurück, die sie von ihrem Schemel aus angstvoll beobachtete, während sie Michel mechanisch auf den Knien wiegte.
»Was haltet Ihr davon?« fragte Gauthier.
»Daß Ihr recht habt, mein Junge! Der Herr ist nicht tot! Das ist nicht möglich!«
»Wie hätte er dann entkommen können?« fragte Cathérine.
»Ich weiß es nicht! Aber einen Geist hast du nicht gesehen. Geister tragen keine Masken, ich kenne sie!«
»Ich will dir gern glauben«, seufzte Cathérine. »Aber nun sag, was ich tun soll?«
»Ein paar Tage abwarten, wie Gauthier sagte, um Fortunat Zeit zur Rückkehr zu geben. Wenn er nicht kommt …«
»Wenn er nicht kommt?«
»Reiten wir mit Saturnin und ein paar kräftigen Männern nach Calves zurück. Wir werden die Trümmer durchwühlen, bis wir Gewißheit haben. Aber was mich betrifft, habe ich diese Gewißheit bereits: Es gibt keine Leiche in Calves … zumindest nicht die, an die du denkst …«
Diesmal kehrte ein wenig Hoffnung in Cathérines Herz zurück. So innig waren die Bande, die sie mit Sara vereinten, daß sie, durch mancherlei Erfahrungen bestärkt, in ihr wenn nicht ein Orakel, so doch einen klaren Verstand sah, der sich selten täuschte und sich zuweilen sogar zu Momenten seltsamen Scharfblicks aufschwingen konnte … Sie antwortete nicht, sondern nahm die Hand ihrer alten Freundin und hob sie demütig an ihre Wange wie ein Kind, das um Verzeihung bittet.
Saras Augen waren voll Zärtlichkeit, als sie auf den blonden, ihr zugeneigten Kopf hinabsah. Im einbrechenden Abend läutete die Klosterglocke zum Gebet.
»Die Mönche gehen jetzt in die Kapelle«, sagte Sara. »Du solltest auch beten gehen …«
Cathérine schüttelte den Kopf.
»Ich habe keine Wünsche mehr, Sara! Was nützt es zu beten? Gott erinnert sich meiner nur, um mich zu züchtigen.«
»Du bist ungerecht! Er hat dir die bitteren Früchte der Rache und die süßeren des Triumphs geschenkt. Du hast Montsalvy das Recht auf seine Existenz zurückgegeben.«
»Aber um welchen Preis?«
»Um einen Preis, den du noch nicht kennst … es sei denn, du bedauerst den, den du in Chinon zurückgelassen hast«, fügte sie absichtsvoll hinzu. Sie wollte sehen, wie Cathérine auf die Erinnerung an den Mann reagieren würde, dessentwegen sie beide sich entzweit hatten … Aber sie wurde in dieser Hinsicht sofort beruhigt. Cathérine hob ungeduldig die Schultern.
»Was soll ich bedauern, solange ich nicht weiß, was Amaud zugestoßen ist?«
Dem gab es nichts hinzuzufügen.
Das Fieber, das Isabelle verzehrte, schien nachzulassen. Die alte Dame delirierte nicht mehr, sie hustete weniger, aber sie wurde mählich schwächer wie eine heruntergebrannte Öllampe.
»Wir werden sie nicht retten!« sagte Sara, die Cathérine am Krankenbett ablöste, um Donatienne zu erlauben, ein wenig auszuruhen und sich um Saturnin zu kümmern, den sie seit Beginn der Krankheit sehr vernachlässigt hatte.
»Man möchte meinen«, bemerkte Cathérine darauf, »daß sie keine Lebenskraft mehr hat.«
Alle Arzneien des Klosters, das ganze medizinische Wissen des Baders von Aurillac, der sie wieder am Krankenlager besucht hatte, waren machtlos, den Lebensfluß in diesem erschöpften Körper zu erhalten. Ganz sanft verlosch Isabelle.
Sie blieb jetzt stundenlang auf dem Bett ausgestreckt, die Hände um ihren Rosenkranz oder um ein Gebetbuch gefaltet, in dem sie nicht las, schweigend und reglos. Nur ihre Lippen, die sich leise bewegten, deuteten an, daß sie betete.
Eines Abends, drei Tage nach dem Ritt Cathérines und Gauthiers nach Calves, hob die alte Dame die Lider und sah Cathérine an, die auf einem Schemel neben ihr saß.
»Ich bete für Euch, mein Kind«, sagte sie leise, »für Michel … und für ihn, meinen Sohn! Laßt ihn in
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