Macabros 092: Mandragoras Zaubergärten
»… ihr Reich ist unfaßbar, ebenso ihre Macht. Wenn
du dich entschließt, den fünften Weg in die Dimension des
Grauens und Wahnsinns zu gehen, mußt du alle unkalkulierbaren
Risiken auf dich nehmen, Björn…«
Der Mann, der diese Zeilen geschrieben hatte, lebte nicht mehr. Ak
Nafuur war in die Ewigkeit der Geisterwelt eingegangen. Bevor er
jedoch starb, war es ihm gelungen, dreizehn versiegelte Botschaften
zu Papier zu bringen. In jeder von ihnen war ein Weg aufgezeigt, der
es dem Herrn von Marlos, Björn Hellmark, ermöglichen
sollte, in die Wahnsinnsdimension Rha-Ta-N’mys einzudringen und
die Dämonengöttin zum Kampf herauszufordern.
Vier erfolgreiche Aufgaben lagen bereits hinter ihm. Doch das, was
er hier las, raubte ihm fast den Mut. Ak Nafuur zeigte ihm den
fünften Weg.
»Mandragora, die Herrin der Angst, besitzt einen
geheimnisvollen, unheimlichen Garten. In ihm verborgen liegt der
rätselhafte ’Kristall der bösen Träume’. Ihn
mußt du finden und vernichten. Dann wird Mandragoras Reich
untergehen und von dieser Seite aus kann es dann zu keinen neuen
Überfällen und Angriffen auf die Erde kommen.
Der Kristall liegt in einer Truhe, die mit dreizehn
Schlössern gesichert ist. Die Truhe befindet sich im Tempel,
inmitten des Gartens, der dich an das Paradies erinnern wird, wenn du
ihn betrittst.
Aber das ist ein Trugbild!
Hüte dich davor, dort zu bleiben. Der Wunsch wird
übermächtig in dir werden, ihn nie wieder verlassen zu
wollen. Manch einer, der glaubte ein Held zu sein, ist auf der
Strecke geblieben. Orkon kann ein Lied davon singen, Orkon aus dem
Lande Than. Ein Recke aus einer barbarischen Zeit, der gewillt war,
Mandragora das Handwerk zu legen, um damit Rha-Ta-N’my ein Auge
auszustoßen. Er hat versagt – wie alle anderen, die nach
ihm kamen. Vielleicht war es ihr Fehler, daß sie es allein
schaffen wollten, ohne Unterstützung. Die Herkunft des Kristalls
ist ungeklärt, doch die Legende behauptet, er stamme aus dem
Palast der Höchsten, und damit kann nur Rha-Ta-N’my gemeint
sein. Für mich gibt es kaum einen Zweifel daran, daß der
’Kristall der bösen Träume’ tatsächlich aus
Rha-Ta-N’mys Welt stammt. Und deshalb ist es wichtig, daß
du ihn zerschlägst.
Einzelheiten über den Weg kann ich dir nicht mitteilen. Doch
du könntest Orkon aufsuchen. Mit dem Spiegel der Kiuna
Macgullyghosh kommst du nach Than, wenn du den richtigen Standort
unter den Sternensymbolen wählst. Diesen Standort kann ich dir
genau angeben. Wenn du den Spiegel passierst, kommst du in eine
andere Welt, in eine andere Dimension. Auch Kiuna Macgullyghosh war
dieser Weg bekannt. Sie hat ihn benutzt. Sie kannte Mandragora
ebensogut wie Tamuur, den Scharlachroten…«
Als der blonde Mann diesen Namen las, lief es ihm eiskalt
über den Rücken.
Erinnerungen an eine schlimme Zeit wurden wach. Gefahren und
Abenteuer tauchten vor seinem geistigen Auge auf, der Irrweg des
treuen Freundes Rani Mahay, der lange Zeit verschollen war und seine
Lieblingstigerin Chitra einbüßte.
Tamuur, der Scharlachrote, ein Magier aus einer anderen Welt! Eine
Welt, die aus einem riesigen Garten bestand, den Tamuur über
alles liebte, ein Garten, in dem bizarre, fremdartige und
geheimnisvolle Gewächse wuchsen, die ihren Ursprung im Leben
jener Menschen hatten, die sich darin verirrten und hineingelockt
wurden.
»Wenn du gehst«, ließ Ak Nafuur ihn in seiner
fünften Botschaft wissen, »nimm Unterstützung mit. Du
wirst starke und kluge Freunde brauchen, um den Anfeindungen und
Gefahren begegnen zu können, die eine andere, unbekannte Welt
für dich, für euch, bereit hält…«
Ak Nafuur wünschte ihm auf dem neuen Weg alles Gute. Eine
beigefügte Skizze, die er von der Geister-Höhle angefertigt
hatte, zeigte genau den Punkt, an dem der Spiegel der Kiuna
Macgullyghosh angelegt werden sollte.
Nachdenklich faltete Hellmark den Bogen mit den eng geschriebenen
Zeilen zusammen und steckte ihn in den betreffenden Umschlag
zurück.
Björns Blick ging hinunter an die Wand, wo der mit einem
roten Vorhang verhangene Spiegel stand.
Lange Zeit hatte er ihn nicht mehr benutzt. Und nun wurde er mit
einem Mal wieder wichtig.
Ohne daß es ihm bewußt wurde, stahl sich ein
flüchtiges Lächeln auf seine Lippen.
Der gute, alte Ak Nafuur! Er hatte wirklich alles versucht, um es
ihm so leicht wie möglich zu machen.
Diese gezielten Wege waren Nadelstiche, die direkt
Rha-Ta-N’my und ihre Verbündeten trafen. Und bisher hatten
sie
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