Cathérine de Montsalvy
die Tür hinter sich. Cathérine setzte sich auf den blitzsauberen Stein des gelöschten Kamins und öffnete langsam das Pergament. Ihre Hände zitterten vor Erregung und Freude, aber die Tränen brannten ihr derart in den Augen, daß sie zuerst Mühe hatte, die festen Schriftzüge ihres Gatten zu entziffern. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, über die Augen, als wollte sie den Schleier, der sie bedeckte, wegreißen.
»Mein Gott«, sagte sie mit einem nervösen Lachen. »Ich werde es nie lesen können! Ich muß mich beruhigen!«
Sie zwang sich, zwei- oder dreimal tief zu atmen, und trocknete sich die Tränen. Diesmal wurde der Text klar.
»Cathérine«, lautete das Pergament, »ich bin im Gebrauch der Feder nie sehr geschickt gewesen, aber bevor ich für immer verschwinde, wollte ich Dir ein letztes Mal Lebewohl sagen und Dir das Glück wünschen, das Du verdienst. Du hast es gefunden, wie man mir sagt, und mein Wunsch ist belanglos. Bin ich nicht ein Toter, der noch atmet und der – ach! – nicht aufgehört hat zu denken? … Aber ich habe noch die Fähigkeit, Dir zu sagen, daß Du von nun an frei bist, kraft meines eigenen Willens!«
Cathérines Herzschlag setzte einen Augenblick aus. Ihre Finger krampften sich um das Pergament, doch tapfer fuhr sie in ihrer Lektüre fort. Das Folgende war noch schlimmer:
»Der, den Du auserwählt hast, wird Dir alles geben, was ich Dir nicht habe geben können. Er ist tapfer und Deiner würdig. Du wirst reich, gefeiert und geehrt sein! Doch ich, Cathérine, ich, dem es, obwohl tot, noch nicht gelungen ist, die Liebe in meinem Herzen abzutöten, ich kann nicht mehr in diesem Lande bleiben, in dem Du nicht mehr sein wirst. Was ich ertragen konnte, solange Du in meiner Nähe warst, kann ich nicht mehr, wenn Du Dich entfernst! Ich möchte nicht mehr wie eine Ratte in ihrem Loch krepieren, mich langsam in einer Höhle zum Sterben legen. Ich möchte am hellichten Tage sterben … und allein! Fortunat, der nie aufgehört hat, mit mir in Verbindung zu bleiben, hat mir, bei Gefahr seines Lebens und trotz meiner Gegenwehr, geholfen zu fliehen. Er wird mein letzter Freund gewesen sein …
Denkst Du noch an den Pilger, den wir beide getroffen haben? Er hieß Barnabe, glaube ich, und ich höre noch, wie er uns sagte: ›Erinnert Euch in den schweren Stunden, die Euch bevorstehen, an den alten San-Jago-Pilger …‹ Erinnere Dich, Cathérine! An der Gruft des Apostels hat er seine Sehkraft wiedererlangt … So Gott will, werde ich die verfluchte Krankheit in Galicia los. Dann werde ich unter einem angenommenen Namen dem Heiligen Vater meinen Degen gegen die Ungläubigen anbieten. Sollte jedoch die Gnade der Heilung dem Sünder, der ich bin, verweigert werden, werde ich trotzdem eine Gelegenheit finden, als Mann zu sterben.
Hier trennen sich unsere Wege für immer. Du gehst dem Glück, ich meinem Schicksal entgegen. Leb wohl, Cathérine, meine Kleine …«
Der Brief entglitt den plötzlich eisigen Fingern Cathérines. In ihrer Seele mischte sich unerträglicher Schmerz mit einem Zorn, einem wahnsinnigen Zorn, stürmisch, mörderisch, auf Brézé. Was für Unheil hatte sein Geschwätz angerichtet! Sein großes Leidenschaftsgeschrei! Der nahe bevorstehende Tod Isabelles, Arnauds Flucht und für Cathérine diese entsetzlichen Gewissensbisse! Arnaud war fortgegangen, weit, weit fort, weil er sie für untreu hielt! Er sagte, er liebe sie noch und aus diesem Grunde gehe er fort … aber wie lange würde diese Liebe noch anhalten, die sich nicht vom anderen getragen, vom anderen erwidert fühlte? Zorn auch gegen sich selbst! Wie hatte sie nur den alten Pilger und den Rat, den er ihnen gegeben hatte, vergessen können? Warum hatte sie nicht alles stehen- und liegenlassen, alles aufgegeben, um den Mann, den sie liebte, seiner möglichen Rettung zuzuführen, statt einer lächerlichen Rache nachzujagen! Warum war sie nicht mit ihm fortgegangen, vor Monaten schon, um das Unmögliche zu versuchen? In ihrer Wut vergaß sie, daß Arnaud niemals eingewilligt hätte, sie in ein solches Abenteuer zu verwickeln, er, der sie aus Furcht vor Ansteckung nicht einmal zu berühren gewagt hatte.
Und dann ebbte der Zorn ab, und es blieb nur noch der Schmerz. Auf dem Kaminstein zusammengekauert, schluchzte Cathérine hemmungslos, immer wieder den Verlorenen rufend … Der Gedanke, daß Arnaud sich verraten und vergessen glauben konnte, war unerträglich. Er brannte wie glühendes Eisen. Mit
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