Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
nahe gekommen, dass er ihre triumphierenden Gesichter sehen konnte. In wenigen Augenblicken würde alles vorbei sein. Dann hatte sein Pferd die Hügelkuppe erreicht – bis zum Römerlager waren es noch zwei Meilen, zwei Meilen zu viel. Cato nahm die Rechte von den Zügeln und zog das Schwert. Seine Angst war verflogen, Enttäuschung und Wut hatten ihren Platz eingenommen. Der Tod war ihm sicher, doch er würde sich wehren bis zuletzt.
Cato blickte sich erneut über die Schulter um, in der Erwartung, dass die Briten bereits die Speere anlegten, doch zu seiner Verblüffung zügelten sie die Pferde, und der Mann an der Spitze deutete hinter Cato. Dieser wandte den Blick wieder nach vorn und sah nun, was die Briten bereits entdeckt hatten. Am Fuße des Hügels marschierte ein kleiner Patrouillentrupp auf das Lager zu. Catos Herz machte vor Freude einen Satz. Er klatschte dem Pferd mit der flachen Seite der Schwertklinke auf die Flanke und preschte den Hügel hinunter. Als er sich umsah, waren die Briten wieder hinter der Hügelkuppe verschwunden.
Die Männer der Patrouille hörten das Hufgetrappel und wandten sich rasch um, mit erhobenen Schilden und wurfbereit angelegten Speeren. Cato zügelte sein Pferd wenige Schritte vor den hintersten Männern. Er ließ sich auf den Boden gleiten und rannte auf sie zu.
»Wer bist du denn?«, fragte der befehlshabende Optio.
»Tut nichts zur Sache«, keuchte Cato. »Ich muss den Legaten sprechen! Sofort!«
»Wer bist du?«
»Quintus Licinius Cato, Optio der Sechsten Zenturie, Vierte Kohorte. Ich muss Vespasian Meldung erstatten.«
»Was hast du zu melden?«
»Der Gegner bereitet einen Hinterhalt vor, drüben im Wald.«
»Der Gegner? Wo?«
»Die Briten waren mir dicht auf den Fersen. Ihr habt sie bestimmt gesehen.«
Der Optio schüttelte den Kopf.
»Aber eben waren sie noch da!« Cato zeigte zur Hügelkuppe. »Unmittelbar hinter mir. Jemand muss sie doch gesehen haben!«
Die Soldaten musterten ihn schweigend, und Cato erwiderte ungläubig ihre Blicke.
»Ich begreife nicht, wie ihr sie übersehen konntet. Jedenfalls muss ich den Legaten sprechen.«
Er wandte sich um, ergriff die Zügel und wollte sich in den Sattel werfen, doch der Optio packte ihn beim Arm und riss ihn vom Pferd weg.
»Nicht so schnell! Du kommst erst mal mit.«
»Was? Begreift ihr denn nicht? Ich muss Vespasian warnen! «
»Tut mir Leid, aber ich habe meine Befehle. Und jetzt kommst du mit.«
Cato hörte verdattert mit an, wie der Optio einem der Männer befahl, das Pferd zu übernehmen, dann drängte man ihn in die Mitte der Patrouille und zwang ihn, bewacht von zwei hinter ihm gehenden Männern, mitzumarschieren.
»Was soll das, verdammt noch mal?«, schrie er den Optio an.
»Du redest erst wieder, wenn wir im Lager sind.«
»Warum? Was soll das alles?«
»Sämtliche Patrouillen wurden angewiesen, nach dir, deinem Zenturio und deinen Kameraden Ausschau zu halten und euch gegebenenfalls klammheimlich ins Lager zu schaffen. Unter uns gesagt, es sieht so aus, als würdest du ganz schön in der Patsche sitzen. Mach es nicht noch schlimmer. Ein weiteres Wort, und ich gebe dir eins über den Kopf und lege dich aufs Pferd. Verstanden?«
Als Cato protestieren wollte, hob der Optio warnend die Brauen. Cato nickte.
Als die Patrouille das Lager erreichte, sah Cato, dass die meisten Soldaten bereits zum Wald unterwegs waren. Bloß die Nachhut war noch da und formierte sich gerade, um ebenfalls abzurücken. Wenn Vespasian nicht erfuhr, dass die Briten in Wartestellung bereitlagen, war die Katastrophe unausweichlich. Cato hielt Ausschau nach dem Legaten, doch in dem Durcheinander von Soldaten, Wurfmaschinen und Trosswagen war der Kommandant der Legion nicht auszumachen. Die Patrouille bahnte sich einen Weg durch das Gewimmel, um dem Offizier, der das Kommando über die Nachhut führte, Meldung zu erstatten. Tribun Plinius blickte vom Feldschreibtisch auf, als die Patrouille sich näherte.
»Wen haben wir denn da?«
»Wir haben einen Deserteur aufgegriffen, Herr«, antwortete der Optio. »Ist uns auf einem gestohlenen Pferd in die Arme geritten.«
»Ich bin kein Deserteur!«
»Der Junge will den Vorwurf anscheinend abstreiten. Also, was hast du zu sagen?«
»Wir sind keine Deserteure, Herr«, sagte Cato ruhig. »Der Legat hatte uns mit einer Geheimmission betraut.«
»Eine Geheimmission im Auftrag des Legaten – ich verstehe. « Tribun Plinius zwinkerte dem Optio zu. »Dann hattet ihr also einen
Weitere Kostenlose Bücher