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Cato 01 - Im Zeichen des Adlers

Titel: Cato 01 - Im Zeichen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
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schlug mit einer Hand die weiche Wolldecke zurück und nahm den heißen Backstein heraus. Als er aufs Bett gelegt wurde, maulte Titus und klammerte sich an seines Vaters Toga fest. »Bin nicht müde! Bin nicht müde!«
    »Du musst jetzt schlafen«, entgegnete Vespasian sanft und versuchte, die Finger seines Sohns zu lösen. Die kleinen Händchen des Jungen waren erstaunlich kräftig, und sein Vater musste sich anstrengen, sie zu lösen, während sich die Augen des Kindes mit Tränen des Zorns und der Enttäuschung füllten. Als sich die letzten Finger vom Stoff an Vespasians Hals gelöst hatten, biss Titus seinen Vater plötzlich in den Knöchel. Vespasian fluchte unwillkürlich.
    »Deine Ausdrucksweise!«, zischte Flavia. »Soll er schon in diesem Alter solche Worte aufschnappen?«
    Vespasian kam der Gedanke, dass jedes in einer Garnison heranwachsende Kind sich unweigerlich einen größeren Wortschatz aneignete, als in den auf höfliche Umgangsformen bedachten gesellschaftlichen Kreisen Roms angemessen wäre.
    »Der Junge«, fuhr er nach einer Weile fort, »hat ziemlich viel Biss.«
    »Aber das ist doch gut.«
    »Tatsächlich?« Vespasian blickte mit hochgezogenen Brauen auf den kleinen, halbmondförmigen Zahnabdruck auf seinem Handrücken nieder.
    »Das zeugt von einem starken Charakter.« Flavia drückte den sich noch immer wehrenden Jungen auf das Bettchen nieder und deckte ihn zu.
    »Das zeugt von scharfen Zähnen«, murmelte ihr Gemahl.
    Mit einem letzten Greinen ergab sich Titus der Routine und wälzte sich auf den Bauch, schloss die Augen und schlief nach ein paar in die Matratze gemurmelten unverständlichen Worten ein. Seine Eltern blickten einen Moment lang auf ihn nieder, staunten über das friedliche, vollkommen runde Gesicht, die Zuckungen seiner gekrümmten Finger im flackernden Schein der Öllampen.
    Jemand hämmerte an die Tür. Titus regte sich, schlug kurz die Augen auf.
    »Wer kann das bloß sein?«
    »Sag ihnen, sie sollen leise sein«, zischte Flavia. »Sonst wecken sie noch Titus auf.«
    Vespasian öffnete die Tür zum Hof und sah sich dem diensthabenden Zenturio und einem zitternden Legionär gegenüber.
    »Herr!«, dröhnte der Zenturio wie auf dem Exerzierplatz. »Bitte Meldung machen zu dürfen …«
    »Psst! Sprich leise. Mein Junge schläft.«
    Der Mund des Zenturios klappte auf, dann zwang er sich, flüsternd fortzufahren. »Bitte Meldung über ein Feuer machen zu dürfen.«
    »Ein Feuer. Wie groß ist das Feuer? Wo brennt es?«
    »Richtung Wald, Herr, Richtung Rhein.«
    Vespasian musterte den Mann ungeduldig. »Und du glaubst, mich deshalb stören zu müssen?«
    »Dieser Wachposten meint, es sei ein großes Feuer, Herr.«
    »Groß? Wie groß?«
    »Keine Ahnung, Herr«, antwortete der Legionär. »Das eigentliche Feuer konnte ich nicht sehen. Bloß den Widerschein am Horizont.«
    Dem Legaten kam ein fürchterlicher Gedanke. »Ist die Dritte Kohorte schon zurückgekehrt?«
    »Nein, Herr.« Der Zenturio schüttelte den Kopf. »Noch nichts von ihr zu sehen.«
    »Gut, ich komme. Du kannst wegtreten.«
    Flavia näherte sich ihm mit kleinen, leisen Schritten. »Ärger?«
    »Schon möglich. Ich seh mal eben nach und bin bald wieder zurück. Geh du ruhig schon zu Bett.«

    Als Vespasian den Turm am Osttor erreichte, war die Brustwehr bereits unter einer sanft geschwungenen Schneeschicht verschwunden. Jenseits der Festungsmauern erstreckte sich eine eintönig weiße Landschaft bis zum fernen Waldrand, der durch den wirbelnden Schnee nur undeutlich zu erkennen war. Gleichwohl hatte der Dienst habende Zenturio recht daran getan, ihn zu rufen; die Wolken jenseits der Baumlinie widerspiegelten orangefarbenen Feuerschein. Das Feuer musste ziemlich groß sein, überlegte Vespasian. Außerdem lag es genau in der Richtung der Germanensiedlung.
    Er wandte sich zum Dienst habenden Zenturio um. »Von Vitellius noch immer keine Nachricht?«
    »Nein, Herr.«
    Beunruhigend, ausgesprochen beunruhigend. Auf welche Schwierigkeiten mochte Vitellius mit der Dritten Kohorte gestoßen sein? Den letzten Geheimdienstberichten zufolge gab es kaum Hinweise darauf, dass die Einheimischen zur Rebellion neigten. Gleichwohl hätte die Kohorte mittlerweile in den Stützpunkt zurückgekehrt sein sollen. Und die Intensität des fernen Feuerscheins deutete auf einen großen Brand hin. Vespasian überlegte, welchen Schaden sein Ruf nehmen könnte, wenn er vorschnell Alarm gab; das spöttische Gelächter seiner Männer konnte er

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