Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Vorpostenkette in den Rücken traf. Der Feind würde wie ein Heer von Schatten sein, die am Rande der schwerfälligen Legionen herumstrichen, nur selten zu sehen, aber immer zu erahnen. Diese Art von Kriegsführung war weit schwieriger als ein harter Marsch und eine verzweifelte Schlacht. Die Aussicht auf einen mehrjährigen Feldzug durch die neblige Wildnis Britanniens verdarb den Veteranen der Zweiten Legion auf dem Weg zu ihrer neuen Operationsbasis gründlich die Laune.
Die bittere Märzkälte ließ die nächsten zwei Tage nicht nach, aber wenigstens blieb der Himmel klar. Am Ende eines jeden Tages bestand Vespasian auf der Errichtung eines »Marschlagers im Angesicht des Feindes«, was bedeutete, dass jeden Abend ein zwölf Fuß tiefer Außengraben ausgehoben und ein zehn Fuß hoher innerer Erdwall aufgetürmt wurde, die miteinander Legion und Tross umschlossen. So mussten die erschöpften Soldaten am Ende eines Tagesmarsches mit ihrem Schanzwerkzeug bis in die Nacht hinein den gefrorenen Boden aufbrechen. Erst wenn die Verteidigungsanlage fertig gestellt war, durften sich die in ihre Umhänge gehüllten Männer für eine dampfende Portion Gerstenbrei mit gepökeltem Schweinefleisch anstellen. Später, wenn sie gegessen und sich an den Lagerfeuern gewärmt hatten, krochen die Männer in ihre Zelte aus Ziegenfell und rollten sich unter so vielen Kleiderschichten wie nur möglich zusammen. Im blassblauen Licht des Morgengrauens kamen sie wieder heraus und sahen einer reifbedeckten Welt entgegen, die Zeltfalten und Abspannseile zum Glitzern brachte. Die Männer kauerten sich zusammen, um in der kalten Morgenluft so warm wie möglich zu bleiben, bis ihre Offiziere sie mit Befehlen aufscheuchten, die Zelte abzubauen und sich auf den Tagesmarsch vorzubereiten.
Am dritten Tag wurde das launische Inselwetter milder, und die dicke, weiße Schneedecke, die die Landschaft verhüllte, zog sich allmählich zurück. Die Legionäre freuten sich zwar über die wärmende Sonne, doch das Schmelzwasser verwandelte den Weg bald in einen zähen Sumpf, der an den Wagenrädern und an den Stiefeln der Infanteristen klebte. Mit einer gewissen Erleichterung erreichten sie am vierten Tag das flache Tal der Tamesis und marschierten zu dem riesigen Armeelager hinab, das im Sommer zuvor errichtet worden war, als die Legion sich den Weg über den großen Fluss freigekämpft hatte. Das Lager war nun mit vier Kohorten batavischer Hilfseinheiten bemannt. Man hatte die batavische Infanterie im Lager zurückgelassen, während die Kavallerieschwadrone durch das Tal patrouillierten, um möglichst viele von Caratacus’ berittenen Banden aufzuscheuchen und zu verjagen. Im Lager waren den ganzen Winter über Vorräte eingelagert worden, wann immer das Wetter es den römischen Schiffen erlaubte, von Gallien aus über den Ärmelkanal nach Rutupiae überzusetzen. Von Rutupiae aus beförderten kleinere Schleppkähne die Vorräte die Tamesis hinauf zum Lager, das auf beiden Seiten des Flusses lag. Das letzte Glied in der Vorratskette bildeten kleine Wagenkolonnen, die – von Söldnern der Hilfstruppen gelenkt – unter schwerer Bewachung zu den vorgeschobenen Befestigungen aufbrachen.
Diese Verteidigungslinie war von General Plautius angelegt worden, um Caratacus fern zu halten. Was sich jedoch als vergeblich erwies. Regelmäßig schlüpften im Schutz der Dunkelheit kleine Trupps feindlicher Kräfte zwischen den vorgeschobenen Posten hindurch, um den römischen Nachschub anzugreifen und unter den übergelaufenen Stämmen zu wüten. Hin und wieder kam es zu einem gewagteren Angriff, und in einigen kleinen Außenposten waren die stationierten Truppen niedergemetzelt worden. Kaum ein Tag verging, ohne dass irgendwo ein ferner Rauchfleck am klaren Winterhimmel einen weiteren Überfall auf eine Nachschubkolonne, ein Dorf der Einheimischen oder einen römischen Außenposten verriet. Die Kommandanten der Hilfskohorten, die mit der Verteidigung des Gebietes betraut waren, konnten diese Qualmwolken nur verzweifelt betrachten. Jede war ein weiterer Beweis, dass es ihnen nicht gelang, Caratacus und seine Männer im Zaum zu halten.
Die Ankunft der Zweiten Legion im Tamesis-Lager ersparte ihnen die tägliche Schufterei, für nur eine Nacht ein Marschlager zu errichten. Schon am nächsten Tag erteilte der Legat den Befehl, die Brücke zum Südufer zu überqueren. Erst jetzt verstanden die strategischer denkenden Köpfe unter den einfachen Legionären, welche Rolle
Weitere Kostenlose Bücher