Cato 05 - Beute des Adlers
ein.«
»Ja, Herr.«
»Ausgeruht?«, murmelte einer von Catos Männern. »Will der uns verarschen?«
Einige andere Legionäre stimmten in das protestierende Gemurmel ein. Septimus wirbelte herum. »Maul halten! Hebt euch euren Ärger für die verdammten Barbaren auf!«
Die Proteste verstummten, doch der Groll der Männer legte sich wie ein Leichentuch über die Einheit. Nach und nach verließ die Fünfte Centurie die Barrikade. Als sie an Cato vorbeimarschierte, sah er, dass viele verwundet waren oder sich kaum noch auf den Beinen halten konnten.
»Ist es sehr schlimm da oben?«, fragte einer von Catos Männern.
»Sie sind wie von Sinnen«, antwortete der benommene Optio der Fünften Centurie. »So was habe ich noch nicht erlebt. Sie haben sich gegen den Wall geworfen, als wären sie lebensmüde … verdammte Irre.«
»Optio!« Cato winkte ihn zu sich. »Wo ist Centurio Antonius?«
»Tot … «
»Tot, Herr !«, blaffte Cato. »Ein Vorgesetzter ist mit › Herr ‹ anzureden!«
Der Optio stand stramm. »Ja, Herr. Verzeih, Herr.«
Cato nickte und beugte sich vor. »Du hast jetzt das Kommando, Optio. Du musst allen ein Vorbild sein. Also reiß dich zusammen.«
»Ja, Herr.«
Cato beobachtete den Optio, bis er sich etwas beruhigt hatte. »Weitermachen.«
»Ja, Herr.«
»Cato!«, brüllte Tullius. »Worauf wartest du noch? Schwing deinen Arsch hier rauf!«
»Sofort, Herr!«
Die Männer der Sechsten Centurie hoben die Schilde und folgten Cato auf die Barrikade. Der Anblick, der sich ihm jenseits der Palisade bot, haute ihn fast um. Wie sich herausstellte, hatte der Optio recht – der Feind schien tatsächlich den Verstand verloren zu haben. Ein Durcheinander aus blutigen Gliedmaßen, Waffen und Schilden erstreckte sich wie ein Dreieck vor der Palisade. Seine Spitze war auf die Straße gerichtet, die in den Sumpf führte. Hier und da regte sich etwas zwischen den Leichen. Cato beobachtete einen Mann mit einem Speer im Rücken, der auf seine Kameraden zukroch, die soeben in mehreren Hundert Schritt Entfernung den nächsten Ansturm vorbereiteten. Er schleifte seine lahmen Beine aus dem Leichenberg, bevor ihn die Kräfte verließen und er auf dem harten Erdboden zusammenbrach. Sein schwitzender Körper bebte vor Anstrengung.
»Ein schöner Anblick, oder?«
Cato wandte den Blick von dem verwundeten Krieger ab. Tullius hatte sich durch die Verteidiger zu ihm gezwängt und die Reaktion des jungen Centurio auf das blutige Schauspiel vor ihnen genau beobachtet.
Cato starrte ihn wie betäubt an. Tullius schüttelte ungläubig den Kopf. »Sieht so aus, als würden sie es gleich wieder versuchen. Bereite deine Männer darauf vor.«
»Ja, Herr.« Cato salutierte und ließ den Blick über die ausgedünnte Verteidigungslinie entlang der Palisade bis zur Rampe wandern, hinter der Macro lächelnd durch die Reihen seiner Männer schritt und ihnen im Vorübergehen ermutigend auf die Schulter klopfte. Dann bemerkte er Cato und zeigte ihm kurz den erhobenen Daumen. Cato nickte und machte sich erneut an die Arbeit. Mehrere Gefallene lagen hinter der Palisade – bei der nächsten Attacke konnten sie sich als gefährliche Stolperfallen entpuppen.
»Rollt die Leichen von der Barrikade!«
Ohne Ehrfurcht wälzten die Männer ihre toten Kameraden den Abhang hinunter, wobei ihre schlaffen Gliedmaßen durch die Luft wirbelten. Sobald das erledigt war, ließ Cato sie mit dem Gesicht zum Feind Aufstellung nehmen und die Schwerter ziehen. Zufrieden stellte Cato fest, dass nicht das geringste Anzeichen von Furcht in ihren Blicken lag – nur die schicksalsergebene Entschlossenheit, die kampferprobten Veteranen zu eigen ist. Sie würden die Stellung bis zum Tod oder dem Rückzug des Feindes halten. Die Freude Catos über diese Selbstbeherrschung wurde schon bald durch ein tief empfundenes Bedauern getrübt – wenn Vespasian oder General Plautius sie doch so sehen könnten. Die Schande der Dezimation war vergessen – nun würden sie ihr Leben wie Helden geben. Doch wenn der Legat nicht rechtzeitig eintraf, würde nur der Feind Zeuge ihrer Tapferkeit werden. Und der war so versessen darauf, die römische Kohorte auszulöschen, dass er in seinem Wahn den Mut der Römer nicht zur Kenntnis nahm. Cato musste lächeln. Das Leben in der Legion war über die Maßen seltsam. Zwei Jahre diente er nun schon unter dem Adler, und doch war jede Schlacht die erste und zugleich die letzte. Er fragte sich, ob er sich jemals an die heftigen
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