Cato 11 - Die Garde
Chr.
D as aufgewühlte Meer war grau, außer an den Stellen, wo der heftige Wind weiße Gischtfetzen von den gegen die Küste anrollenden Wellenkämmen riss. Der Himmel war von niedrigen Wolken verhangen, die sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckten. Ein kalter Nieselregen machte die Szene noch deprimierender, und Centurio Macro klebte das dunkle Haar nass am Kopf, als er den Blick über die Hafenstadt wandern ließ. Ostia hatte sich sehr verändert, seit er zum letzten Mal hier gewesen war, nämlich ein paar Jahre zuvor bei seiner Rückkehr vom Feldzug in Britannien. Damals war der Hafen eine ungeschützte Anlegestelle gewesen. Passagiere auf dem Weg nach Rom, das von der Mündung des Flusses Tiber aus zwanzig Meilen landeinwärts lag, hatten hier das Schiff gewechselt, und der Hafen war ein Umschlagplatz für allerlei Waren gewesen. Ein paar aus Holzbalken errichtete Piers hatten vom Ufer aus ins Wasser hineingeragt und Platz für das Entladen der Importe geboten, die aus allen Teilen des Reiches kamen. Ein etwas kleinerer Strom von Exporten verließ Italien in Richtung der von Rom regierten fernen Provinzen.
Jetzt wurden am Hafen gewaltige Umbaumaßnahmen durchgeführt, angeordnet vom Kaiser, der mit diesen und ähnlichen Mitteln den Handel fördern wollte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger gab Claudius öffentliche Gelder lieber zum Wohle der Allgemeinheit als für absurden Luxus aus. Zwei lange Molen befanden sich im Bau und umfingen das Wasser des neuen Hafens wie mit Titanenarmen. Die Arbeiten gingen ohne Unterbrechung durch alle Jahreszeiten weiter, und Macros Blick ruhte kurz auf den elenden, aneinandergeketteten Sklaventrupps, die Steinblöcke auf hölzernen Rollen zum Ende der Molen beförderten, wo sie ins Meer geworfen wurden. Steinblock um Steinblock errichtete man einen Wall, der eine sichere Entladung gewährleisten sollte. Weiter draußen, jenseits der Molen, stand der Wellenbrecher. Der Wirt des Gasthauses, in dem Macro und sein Freund Cato abgestiegen waren, hatte ihnen erzählt, dass eines der größten Schiffe, die man jemals gebaut hatte, mit Steinen beladen versenkt worden war und das Fundament des Wellenbrechers bildete. Weitere Steinblöcke waren auf den Schiffsrumpf geworfen worden, bis der Wellenbrecher fertig war, und jetzt befand sich dort ein Leuchtturm im Bau, dessen untere Geschosse bereits standen. Macro konnte mit Mühe die winzigen Gestalten der Bauleute auf dem Gerüst erkennen, die dort schufteten und gerade eine neue Lage Steine aufmauerten.
»Besser die als ich « , murmelte Macro und zog sich den Umhang enger um die Schultern.
Seit zwei Monaten ging er nun jeden Morgen am Strand entlang und schenkte den Fortschritten der Bauarbeiten dabei immer weniger Beachtung. Wie in so vielen Hafenstädten gab es auch hier in der Nähe der Kais zahlreiche lärmende Kneipen, in denen man den frisch entlohnten Matrosen am Ende einer Fahrt das Geld aus der Tasche zog. Den größten Teil des Jahres wären hier genug interessante Leute zu finden gewesen, mit denen Macro einen Becher Wein hätte trinken und ein paar Geschichten austauschen können. Doch in den Wintermonaten stachen nur wenige Schiffe in See, und so lag der Hafen still da, und die Kneipen wurden nur von einer Handvoll Trinkfreudiger bevölkert. Anfangs war Cato gerne bereit gewesen, ihm bei ein paar Bechern heißem Wein Gesellschaft zu leisten, aber der junge Mann grübelte darüber nach, dass die Frau, die er heiraten wollte, sich nur einen Tagesmarsch entfernt in Rom befand. Die Befehle, die sie aus dem Kaiserpalast erhalten hatten, verboten Cato strengstens, sie aufzusuchen oder sie auch nur wissen zu lassen, dass er sich in Ostia aufhielt. Macro zeigte Mitgefühl für seinen Freund. Es war beinahe ein Jahr vergangen, seit Cato Julia zum letzten Mal gesehen hatte.
Bevor sie in der Hafenstadt eintrafen, hatten Macro und Cato in Ägypten gedient, wo Cato gezwungen gewesen war, das Kommando über ein letztes Aufgebot von Soldaten zu übernehmen, um einen Angriff der Nubier zurückzuschlagen. Es war gerade noch einmal gut gegangen, sagte sich Macro. Sie waren in der Erwartung nach Italien zurückgekehrt, für ihre Anstrengungen belohnt zu werden. Cato hatte sich die Bestätigung seiner Ernennung zum Präfekten reichlich verdient, und Macro war eigentlich versprochen gewesen, die Legion, in der er eingesetzt würde, frei auswählen zu können. Stattdessen hatte man sie, nachdem sie dem kaiserlichen Sekretär
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