Catriona
stöhnte ich. »Ich habe mein Ehrenwort gegeben, und jetzt habe ich es gebrochen! O Catriona!«»Ich frage Euch, worum es sich handelt«, sagte sie. »Waren das die Dinge, von denen Ihr nicht sprechen durftet? Und glaubt Ihr etwa, ich hätte kein Ehrgefühl? Oder daß ich ein Mensch sei, der einen Freund verrät? Hier hebe ich meine rechte Hand hoch und schwöre Euch –«
»O, ich wußte, daß ich mich auf Euch verlassen konnte«, rief ich. »Ich dagegen – seht Ihr, das ist's! Ich, der ich erst heute morgen ihnen trotzte und lieber einen schimpflichen Tod am Galgen erleiden wollte als Unrecht tun – ich werfe wenige Stunden später in einem ganz gewöhnlichen Gespräch auf der Landstraße meine Ehre weg! ›Das eine geht klar aus unserer Unterredung hervor,‹ sagte er, ›ich kann mich auf Euer Wort verlassen.‹ Und wo ist mein Wort jetzt? Wer würde mir jetzt noch glauben?
Ihr
könnt mir doch nicht mehr trauen. Ich bin ganz tief gesunken; das beste wäre, ich stürbe!« Das alles sagte ich mit weinender Stimme, doch blieben mir Tränen versagt.
»Mir tut das Herz weh um Euretwillen,« entgegnete sie, »aber Ihr seid zu gewissenhaft, glaubt mir. Ihr meint, ich könnte Euch nicht mehr trauen? Es gibt nichts auf der Welt, in welchem ich mich nicht auf Euch verlassen würde. Und diese Männer? Ich würde mir ihretwegen nicht das Herz schwer machen! Männer, die nur auf Mittel und Wege sinnen, um Euch Fallen zu stellen und Euch zu verderben! Pfui, jetzt ist nicht die Zeit, sich selbst zu erniedrigen. Blickt auf! Wißt Ihr denn nicht, daß ich Euch bewundere, wie die großen Helden aus alter Zeit? Und nur weil Ihr ein Wort zuviel einem Freunde gegenüber habt fallen lassen, macht Ihr davon so viel Aufhebens! Wir müssen es beide vergessen!«
»Catriona«, sagte ich, und blickte sie beschämt und zerknirscht an, »ist das wirklich wahr? Habt Ihr immer noch zu mir Vertrauen?«
»Wollt Ihr selbst meinen Tränen nicht glauben?« rief sie. »Ich halte mehr als die ganze Welt von Euch, David Balfour. Mögen sie Euch hängen, ich werde Euch niemals vergessen; ich will alt werden und Eurer gedenken. Ich finde es groß, so zu sterben; ich werde Euch um Euren Galgen beneiden.«
»Dabei bin ich vielleicht nur ein dummes Kind, das sich vor Gespenstern fürchtet!« sagte ich. »Vielleicht führen sie mich doch nur an der Nase herum.«
»Das muß ich jetzt erfahren«, sagte sie. »Ich muß alles hören. Der Schaden ist nun schon geschehen, und ich muß das Ganze hören.«
Ich hatte mich am Wegrand niedergelassen, und sie setzte sich jetzt neben mich. Dann erzählte ich ihr alles, was ich hier geschrieben habe, und ließ lediglich meine Gedanken über ihres Vaters Verhalten aus.
»Nun,« meinte sie, als ich geendet hatte, »Ihr seid ein Held, das ist klar; ich hätte es niemals von Euch gedacht! Und ich glaube auch, daß Ihr Euch in Gefahr befindet. Oh, Simon Fraser! Was für ein Mensch! Sich um seines Lebens willen und für schmutziges Geld in einen derartigen Handel einzulassen.« Dann gebrauchte sie eine merkwürdige Redensart, die sie liebte und die wohl ihrer Muttersprache entstammte: »Du meine Qual! Seht nur die Sonne!«
Tatsächlich ging die Sonne bereits hinter den Bergen unter.
Sie forderte mich auf, bald wiederzukommen, reichte mir die Hand und ließ mich in einem Wirbel froher Gedanken zurück. Ich zögerte noch, mich in meine Wohnung zu begeben, denn ich hatte große Angst, sofort verhaftet zu werden. Daher aß ich in einem Wirtshause zu Abend und wanderte den größeren Teil der Nacht in den Gerstenfeldern umher und fühlte mich Catriona ganz nahe, fast als trüge ich sie auf den Armen.
Der Bravo
Am folgenden Tage, dem 29. August, begab ich mich, wie verabredet, zum Lord Staatsanwalt, ausstaffiert mit einem neuen Rock, den ich mir nach Maß hatte anfertigen lassen.
»Aha,« sagte Prestongrange, »Ihr seht heute nobel aus; meine jungen Fräulein sollen einen eleganten Kavalier bekommen. Das rechne ich Euch hoch an, Mr. David. Ich rechne es Euch hoch an. O, wir werden uns schon noch trefflich verstehen, und Eure Nöte haben, glaube ich, auch bald ein Ende.«
»Habt Ihr Nachrichten für mich?« rief ich.
»Bessere, als Ihr erwarten dürft«, entgegnete er. »Euer Zeugnis soll nun doch entgegengenommen werden, und Ihr könnt Euch, wenn Ihr wollt, in meiner Gesellschaft nach Inverary zur Verhandlung begeben, die für den 21. proximo anberaumt ist.«
Ich war so erstaunt, daß es mir die Rede
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