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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sind Stimmungen, und ich habe sie, wie heute voll Ablehnung, so auch ebenso voll Dank und Hingebung gegen ihn gesehen. Und
doch
eine Wolke! Sie hat eine Geschichte, oder er, oder beide, und die Vergangenheit wirft nun ihre Schatten.«
    In diesem Augenblicke schwand drüben der Lichtstreifen auf dem Bosquet.
    »Es soll dunkel bleiben.«
    Und er schloß das Fenster und suchte die Ruhe.
     
    Die
kam ihm nicht gleich, aber als sie kam, schlief er fest, und die Sonne war schon an seinem Fenster vorüber, als er aufwachte. Nach der Uhr sehend, sah er, daß der Zeiger bereits auf acht wies, und er sprang nun rasch aus dem Bett.
    Seine Toilette war erst halb beendet, als es klopfte.
    »Herein.«
    Der Portier übergab ihm ein Telegramm, zugleich Entschuldigungen vorbringend. Es sei schon gestern nachmittag gekommen, als die Herrschaften noch auf der Altenbraker Partie gewesen seien. Und nachher sei's vergessen worden. Herr von Gordon möge verzeihen.

    Gordon lächelte. Telegramme hatten längst aufgehört, eine besondere Wichtigkeit für ihn zu haben, und so kam es, daß er auch jetzt noch eine Minute vergehen ließ, ehe er den Zettel überhaupt öffnete. Sein Inhalt lautete: »Bremen, 15. Juli. Wegen des neuen Kabels abgeschlossen. Wir erwarten Sie morgen.« Eine Welt widerstreitender Empfindungen drang auf ihn ein, als er auf diese Weise den ihm während der letzten Tage so lieb gewordenen Aufenthalt in Thale so plötzlich abgebrochen sah. Aber das Angenehme, Beruhigende, Zufriedenstellende wog in diesem Widerstreit der Gefühle doch schließlich vor. »Gott sei Dank, ich bin nun aus der Unruhe heraus und vielleicht aus noch Schlimmerem. Wer sich in Gefahr begibt, kommt drin um, und mit unserer Festigkeit und unseren guten Vorsätzen ist nicht viel getan. Eine gnädige Hand muß uns bewahren, von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. ›Führe uns nicht in Versuchung.‹ Wie wahr, wie wahr. Mein gutes Glück interveniert mal wieder und meint es besser mit mir als ich selbst.«
    Und er klingelte.
    »Mein Frühstück und meine Rechnung... Sind Oberst St. Arnaud und Frau schon auf dem Balkon?«
    »Ja, Herr Baron.«
    Er ließ sich die Rangerhöhung gefallen und fuhr fort: »Und der nächste Zug nach Hannover?«
    »Neun Uhr zwanzig.«
    »Ah, da hab ich noch Zeit vollauf.«
    Und er hob, als er wieder allein war, den Koffer auf den Ständer und begann zu packen. Die Raschheit, mit der er dabei verfuhr, zeigte den Vielgereisten, und der vom Zimmerkellner mittlerweile gebrachte Kaffee hatte noch eine mittlere Temperatur, als auch alles schon fertig und der ins Schloß gedrückte Koffer samt Schirm und Plaid beiseite geschoben war.
    Gordon sah nach der Uhr.
    »Neun. Also noch zwanzig Minuten: fünfzehn für mein Frühstück und fünf für den Abschied. Etwas wenig. Aber je weniger, desto besser. Was soll man sich sagen? Abschiedsworte müssen kurz sein wie Liebeserklärungen. Das Beste hält nicht lange vor und sträubt sich gegen Dauer: der erste Moment ist poetisch, der zweite kaum noch und der dritte gewiß nicht mehr. Und weil man das fühlt und ein schlechtes Gewissen hat, so wird man lügnerisch und heuchelt und übertreibt. Und das mag ich nicht. Ich will mich nicht selbst um die schönen Eindrücke dieser Tage bringen und will gehobenen Herzens und ohne alles Redensartliche von ihr gehen. Ich will mich ihrer erinnern, wie, wie... Nun wie... Nun, nur um 's Himmels willen nichts von kindischen Vergleichen. Und doch, woran erinnert sie mich? An wen? Oder an welches Bild?«
    Und er wiegte den Kopf, nachsinnend, hin und her. Endlich schien er es gefunden zu haben: »Ja, das ist es. Ich habe mal ein Bild von Queen Mary gesehen, ich weiß nicht mehr genau wo, war es in Oxford oder in Hampton-Court oder in Edinburgh-Castle. Gleichviel, es war die schottische Königin, meine arme Landsmännin. Etwas Katholisches, etwas Glut und Frömmigkeit und etwas Schuldbewußtsein. Und zugleich ein Etwas im Blick, wie wenn die Schuld noch nicht zu Ende wäre. Ja, daran erinnert sie mich. Und der alte Oberst! Nun! der könnte den Bothwell aus dem Stegreif spielen. Wahr und wahrhaftig. Ob er irgendeinen Darnley hat in die Luft fliegen lassen? Es wäre leichtsinnig, sich für das Gegenteil verbürgen zu wollen. Aber weg mit solchen Pulverfaß-Reminiszenzen. Ich will hier mit etwas Heitererm abschließen.«
    Und unter solchem Selbstgespräche trat er noch einmal ans offene Fenster und sah, über die zunächstgelegene kleine Gartenanlage fort, in das

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