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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Angst ist noch nicht da. Jedenfalls ist es keine Frage, daran die Welt hängt oder auch nur der Staat. Der hängt an was ganz anderem. ›Die Welt ruht nicht sicherer auf den Schultern des Atlas als der preußische Staut auf den Schultern seiner Armee...‹, so lautete das Friderizianische Wort, und
das
ist die Frage, worauf es ankommt. Da, meine Herrschaften, liegt Tod und Leben. Der Unteroffizier, der Gefreite,
die
haben eine Bedeutung, nicht der Küster und der Schulmeister; der Stabsoffizier hat eine Bedeutung, nicht der Konsistorialrat. Und nun sehen Sie sich um, wie man anitzo verfährt und unter welchen Mißgriffen und Schädigungen man zur Besetzung maßgebendster Stellen schreitet. Ich meine vom Generalmajor aufwärts. Alles, was sich dabei ›höherer Gesichtspunkt‹ nennt, ist Dummheit oder Verranntheit oder Willkür. Und in manchen Fällen auch einfach Klüngel und Clique.«
    »Sie meinen...«
    »Einfach das Cabinet. Ich habe keine Veranlassung, damit zurückzuhalten und aus meinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Ich meine das Cabinet, das sich's zur Aufgabe zu stellen scheint, mit den Traditionen der Armee zu brechen. Wenn ich von Armee spreche, sprech ich selbstverständlich von der friderizianischen Armee. Was uns heutzutage fehlt und was wir brauchen wie das liebe Brot, das sind alte Familien und alte Namen aus den Stammprovinzen. Aber nicht Fremde... «
    Kraczinski, der zwei Brüder in der russischen und einen dritten in der österreichischen Armee hatte, lächelte mit kriegsministerieller Überlegenheit vor sich hin, von Rossow aber fuhr fort: »Der Chef, trotz altem livländischen Adel, der hingehn mag, ist, von meinem Standpunkt aus, ein homo novus, der der unglückseligen Anschauung von der geistigen Bedeutung der Offiziere huldigt. Alles Unsinn. Wissen und Talent ruinieren nur, weil sie bloß den Dünkel großziehen. Derlei Allotria sind gut für Professoren, Advokaten und Zungendrescher, überhaupt für alle die, die sich jetzt Parlamentarier nennen. Aber was soll das dem Staat? Der verlangt andres. Auf die Gesinnung kommt es an, auf das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit dem Stammlande, das nur die haben, die schon mit am Cremmer-Damm und bei Ketzer-Angermünde waren. Aber das wird jetzt übersehen, übersehen in einer mir ganz unbegreiflichen Weise. Denn die höhere Disziplin ist lediglich eine Frage der Loyalität. Und das wissen auch die Hohenzollern. Aber weil sie nicht gerne dreinreden und allzu bescheiden sind und immer glauben, die Herren vom grünen Tisch (und die Armee hat
auch
ihren grünen Tisch) müßten es besser wissen, so lassen sie sich bereden und betimpeln. Ein erbärmlicher Zustand. Und daß es nicht zu ändern ist, das ist das schlimmste. Napoleon konnte nicht alle Schlachten selber schlagen, und die Hohenzollern können nicht allerpersönlichst in alle Winkel der Verwaltung hineingucken. Da liegt es, mein lieber Geheimrat. Da, nur da. Canossa hin, Canossa her. Preßfreiheit, Redefreiheit, Gewissensfreiheit, alles Unsinn, alles Ballast, von dem wir eher zuviel als zuwenig haben.«
    Cécile sah verlegen vor sich nieder. Sie kannte längst diese vom Ärger diktierte Beredsamkeit, die sie, bei früheren Gelegenheiten, immer nur als überflüssig, aber nicht als sonderlich störend empfunden hatte. Heute peinigte sie's, weil sie sah, was in Gordons Seele beim Anhören dieser Renommistereien vorging. Auch St. Arnaud empfand so, weshalb er es für ratsam hielt, sich der Situation zu bemächtigen und in geschickter Anknüpfung an die Rossowschen Worte »von der Bedeutung alter Familien« auf die Gordons überzugehen, die, seit dem Dreißigjährigen Kriege, jedenfalls aber seit dem Schillerschen »Wallenstein«, uns als unser eigenstes Eigentum angehören. Oberst Gordon, Kommandant von Eger, zähle zu den besten Figuren im ganzen Stück, und er glaube sagen zu können, die Tugenden desselben fänden sich in dem neuen Freunde seines Hauses vereinigt. Er trinke deshalb auf das Wohl seines lieben Gastes, des Herrn von Gordon.
    Gordon, der wohl wußte, daß rasches Erwidern die beste, jedenfalls aber die leichteste Form des Dankes sei, nahm unmittelbar nach diesem Toaste das Wort und bat, nachdem er in einer scherzhaft durchgeführten Antithese den »Obersten St. Arnaud des 4. Oktober« dem »General St. Arnaud des 2. Dezember« gegenübergestellt und in Cécile die Lichtgestalt, die den Unterschied zwischen beiden besiegte, gefeiert hatte, das Wohl der liebenswürdigen Wirte

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