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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Augen unwürdig und hassenswert. Ein für allemal. Aber Anstand und Sitte stehen mir hoch, und blutige Messer an hellblauen Atlasgardinen abwischen, gleichviel, ob dieses Horreur in königlichen Schlössern stattfindet oder nicht, ist ein Roheitsakt, den ich beinah unsittlich nennen möchte, jedenfalls unsittlicher als manches, was dafür angesehen wird. Denn auf keinem Gebiete gehen die Meinungen so weit auseinander als gerad auf diesem. Ich werde mich durch Sätze wie diese keinen Verkennungen Ihrerseits aussetzen, denn ich spreche zu einem Manne, der die Wandelbarkeit moralischer Anschauungen, wie sie Race, Bodenbeschaffenheit und Klima mit sich führen, in hundertfältiger Abstufung persönlich erfahren hat. Irr ich hierin, oder bin ich umgekehrt Ihrer Zustimmung sicher?«
    »Vollkommen«, sagte Gordon, nahm aber doch die Pause, die der eben bei der Baronin erscheinende Turbot ihm gönnte, wahr, um Rosa zuzuflüstern: »Emanzipiertes Vollblut. Furchtbar.«
    An der andern Seite des Tisches wurden statt der Steinbutte Forellen präsentiert, und Cécile, die sich auf einen Augenblick von ihrem zweiten Nachbar, dem beständig ironisierenden Geheimrat, frei zu machen wußte, sagte zu Gordon über den Tisch hin: »Aber von den Forellen müssen Sie nehmen, Herr von Gordon. Es sind ja halbe Reminiszenzen an Altenbrak. Denn von der Forelle bis zur Schmerle, so wenigstens versicherte uns der alte Emeritus, ist nur ein Schritt.«
    Rosa, der dieser Zuspruch mitgegolten hatte, nickte. General von Rossow aber griff das Wort auf und bemerkte mit krähender Kommandostimme: »Nur
ein
Schritt, sagen Sie, meine gnädigste Frau. Nun gut. Aber, Pardon, es gibt große und kleine Schritte, und dieser Schritt ist einfach ein Riesenschritt. Ich war letztes Jahr in Harzburg, unerhörte Preise, Staub und Wind und natürlich auch Schmerlen. Ein erbärmlicher Genuß, der nur noch von seiner Unbequemlichkeit und Mühsal übertroffen wird. Es kommt gleich nach den Artischocken, ebenso langweilig und ebenso fruchtlos. Und um diesen fragwürdigen Genuß zu haben, war ich bei vierundzwanzig Grad Réaumur auf den Burgberg hinaufgestiegen.«
    »Und ließen sich die Schmerlen im Freien servieren«, lachte St. Arnaud. »Im Freien und vielleicht sogar an der großen Säule mit der berühmt gewordenen Inschrift: ›Nach Canossa gehen wir
nicht
.‹ Aber wir gehen
doch

    »Und gehen auch noch weiter«, fiel der Geheimrat ein, der (schon unter Mühler »kaltgestellt«) den bald darauf ausbrechenden Kulturkampf als Pamphletist begleitet, seine Wiederanstellung jedoch, trotz andauernder Falk-Umschmeichlung, nicht durchgesetzt hatte. »Ja, noch weiter.« Und dabei hob er seine goldene Brille, mit der Absicht, sie zu putzen, wie das seine Gewohnheit war, wenn er einen heftigen Ausfall plante. Die Götter aber widerstritten diesem Versuche, denn der linke Brillenhaken hatte sich in einem Löckchen seiner blonden Perücke verfitzt und wollte nicht nachgeben. Unter glücklicheren und namentlich gesicherteren Toupet-Verhältnissen würd er nun freilich, aller Widerhaarigkeit zum Trotz, mit jener »Energie« vorgegangen sein, die sieben Jahre lang sein Programm und den Inhalt seiner Pamphlete gebildet hatte, dieser Sicherheit aber entbehrend, sah er sich auch
hier
gezwungen, den Verhältnissen Rechnung zu tragen und auf ein rücksichtsloses Vorgehen zu verzichten, das ihn an seiner empfindlichsten Stelle bloßgestellt haben würde. Schließlich indes war das Häkchen aus dem Toupet heraus, und mit einer Ruhe, die den Mann von Welt zeigte, nahm er seinen Satz wieder auf und sagte: »Ja, meine Herrschaften, und gehen auch noch weiter. Das heißt also bis nach Rom. Es sind dies die natürlichen Folgen der Prinzipienlosigkeit oder, was dasselbe sagen will, einer Politik von heut auf morgen, des Gesetzmachens ad hoc. Ich hasse das.«
    Die Baronin, die sich in dieser Wendung zitiert glaubte, klatschte mit ihren zwei Zeigefingern Beifall.
    »Ich hasse das«, wiederholte der Geheimrat, während er sich gegen die Snatterlöw verbeugte, »mehr noch, ich verachte das. Wir sind kein Volk, das, seiner Natur und Geschichte nach, einen Dalai-Lama ertragen kann, und doch haben wir ihn. Wir haben einen Dalai-Lama, dessen Schöpfungen, um nicht zu sagen Hervorbringungen, wir mit einer Art Inbrunst anbeten. Rundheraus, wir schwelgen in einem unausgesetzten Götzen- und Opferdienst. Und was wir am willfährigsten opfern, das ist die freie Meinung, trotzdem keiner unter uns

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