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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Karte folgenden Inhalts erhielt: »Oberst von St. Arnaud und Frau geben sich die Ehre, Herrn v. Leslie-Gordon zum 4. Oktober zu einem Mittagessen einzuladen. 5 Uhr. Im Überrock. U.A.w.g.«
    Gordon nahm an und war nicht ohne Neugier, bei dieser Gelegenheit den St. Arnaudschen Kreis näher kennenzulernen. Was er, außer dem Hofprediger, bis dahin gesehen hatte, war nichts Hervorragendes gewesen, ziemlich sonderbare Leute, die sich allenfalls durch Namen und gesellschaftlich sichere Haltung, aber wenig durch Klugheit und fast noch weniger durch Liebenswürdigkeit ausgezeichnet hatten. Beinah alle waren Frondeurs, Träger einer Opposition quand même, die sich gegen Armee und Ministerium und gelegentlich auch gegen das Hohenzollerntum selbst richtete. St. Arnaud duldete diesen Ton, ohne persönlich mit einzustimmen, aber daß er ihn überhaupt zuließ, war für Gordon ein Beweis mehr, daß es keine Durchschnitts-Duellaffaire gewesen sein konnte, was den Obersten veranlaßt oder vielleicht auch gezwungen hatte, den Dienst zu quittieren. Etwas Besonderes mußte hinzugekommen sein.
    Und nun war der 4. Oktober da.
    Gordon, so pünktlich er erschien, fand alle Geladenen, unter denen der Hofprediger leider fehlte, schon vor und wurde, nachdem er Cécile begrüßt und ein paar Worte an diese gerichtet hatte, dem ihm noch unbekannten größeren Bruchteile der Gesellschaft vorgestellt. Der Erste, dem Range nach, war General von Rossow, ein hochschultriger Herr mit dünnem Schnurr- und noch dünnerem Knebelbart, dazu braunem Teint und roten vorstehenden Backenknochen; nach Rossow folgte: von Kraczinski, Kriegsministerialoberst und polnisch-katholisch, Geheimrat Hedemeyer, hager, spitznasig und süffisant, Sanitätsrat Wandelstern, fanatischer Anti-Schweninger, und Frau Baronin von Snatterlöw. Gordon verneigte sich nach allen Seiten hin, bis er Rosas gewahr wurde, der er sich nunmehr rasch näherte. »Wir sind hoffentlich Nachbarn...« – »Geb es Gott.« Und nun trat er wieder an Cécile heran, um sich, wegen einiger ihm vorgeworfenen Unklarheiten in seinem gestrigen Morgenbillet, so gut es ging, zu verantworten.
    »Ich habe die schlechte Gewohnheit«, schloß er, »in Andeutungen zu sprechen und auf Dinge hinzuweisen, die von zehn kaum einer kennt, also auch nicht versteht.«
    Sie lachte. »Wie gütig Sie sind, über den eigentlichen Grund so leicht hinwegzugehen und gegen sich selbst den Ankläger zu machen. Sie wissen am besten, daß ich nichts weiß. Und nun bin ich zu alt zum Lernen. Nicht wahr, viel zu alt?«
    In diesem Augenblicke wurden die Flügeltüren geöffnet, und Gordon brach ab, weil er sah, daß General von Rossow auf Cécile zukam, um ihr den Arm zu bieten. Kraczinski, Hedemeyer, Wandelstern und einige andere folgten mit und ohne Dame.
    Die Plätze waren so gelegt, daß Gordon seinen Platz zwischen der Baronin und Rosa hatte.
    »Gerettet«, flüsterte diese.
    »Gerichtet«, antwortete er mit einem Seitenblick auf die Baronin, eine hochbusige Dame von neunundvierzig, mit Ringellöckchen und Adlernase, die sich, ärgerlich über das Geflüster zwischen Gordon und Rosa, mit Ostentation von Gordon ab- und ihrem anderen Tischnachbar zuwandte. Sie nannte das »ihre Revanche nehmen«.
    Die Revanche war aber nicht von Dauer, und ehe noch das Tablett mit dem Tokaier herumgereicht wurde, setzte sie, wie das ihre Gewohnheit war, bereits höchst energisch ein und sagte mit einer ans Männliche grenzenden Altstimme: »Sie waren in Persien, Herr von Gordon. Man spricht jetzt soviel von persischer Zivilisation, namentlich seit den umfangreichen Übersetzungen Baron Schacks (jetzt Graf Schack), eines Vetters meines verstorbenen Mannes. Ich kann mir aber nicht denken, daß diese Zivilisation viel bedeute, da persische Minister hier im Königlichen Schlosse, wenn auch freilich durch kulturelle Gebräuche dazu veranlaßt, eine ganze Reihe von Hämmeln eigenhändig geschlachtet und die Schlachtmesser an den Gardinen abgewischt haben.«
    »Ich halte dies für Übertreibung, Frau Baronin.«
    »Sehr mit Unrecht, mein Herr von Gordon. Ich hasse Übertreibungen, und was ich sage, ist offiziell. Übrigens mißverstehen Sie mich nicht. Ich gehöre nicht zu der Gruppe devotest ersterbender Leute, die königliche Schloßgardinen ein für allemal als ein Heiligtum ansehen. Im Gegenteil, ich hasse mißverstandene Loyalitäten. Ein freier Sinn ist das allein Dienliche wie das allein Ziemliche. Servilismus und niedrige Gesinnung sind in meinen

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