Century Love - Tödliches Fieber: Roman (German Edition)
Auftritte und Abgänge, Lichteinstellungen, Toneinrichtung und Kostümwechsel. Das bedeutete, solange Dr. Kidd sich auf die Scheinwerfer konzentrierte, konnte ich über meine Probleme nachdenken. Ich nutzte die Zeit sinnvoll. Erst überprüfte ich, ob ich den Text auswendig konnte. Das war eindeutig am wichtigsten. Dann las ich den Biologieaufsatz für morgen durch (von dem ich Will gegenüber behauptet hatte, ich hätte ihn noch nicht geschrieben). Der Aufsatz war in Ordnung, den konnte ich so abgeben. Ich warf einen Blick auf die Bühne. Sie waren immer noch mit der Geist -Szene beschäftigt und konnten noch eine Weile auf mich verzichten. Ich kramte in meiner Tasche. Gut, ich konnte noch einige Differenzialgleichungen bearbeiten, doch die waren erst nächste Woche fällig. Das hieß, ich hatte viel Zeit, mich um dringendere Probleme zu kümmern. Zum Beispiel um die Frage, warum ich schon wieder an den seltsamen neuen Typen denken musste. Diese Art von Ablenkung konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Ich musste ihn mir aus dem Kopf schlagen. Leicht würde das nicht werden, schließlich hatten wir mindestens zwei Kurse gemeinsam. Und wenn er nun auch noch Chemie und Physik gewählt hatte?
Makroschock
St. Magdalene’s
2013 n. Chr.
Halb sieben Uhr morgens. Der Wecker katapultierte mich in einen neuen Tag. Ich war noch nicht bereit, denn ich hatte eine grauenhafte Nacht hinter mir mit Albträumen, aus denen ich mit klopfendem Herzen und schweißgebadet hochgeschreckt war. Doch an Einzelheiten konnte ich mich nicht erinnern. Nur meine eigene Angst war mir im Gedächtnis geblieben.
Jetzt hatte ich Kopfschmerzen, mein Mund war trocken und die Glühbirne leuchtete viel zu grell. Ich zog mich an, trank Wasser aus dem Zahnputzbecher und ging todmüde zur Bandprobe. Wir spielten das Set ein paarmal durch und hörten rechtzeitig zur Morgenversammlung auf. Da ich dort auf keinen Fall hinwollte, nahm ich einen Schleichweg zu Physik.
Ich wollte mir meine Notizen über Quantenalgorithmen noch einmal durchlesen. Heute sollte ein außerschulischer Dozent uns seine Theorie über Quantengatter darlegen, was sicher hochspannend werden würde. Ich musste mich konzentrieren.
Wenig später hatte ich mich so in meine Anmerkungen vertieft, dass ich es gar nicht mitbekam, als die anderen hereinkamen. Erst ein Stromschlag brachte mich wieder in die Gegenwart zurück. Und zwar buchstäblich. Ich schnappte nach Luft, als ich den Kopf drehte, um zu sehen, wer – ja, wer wohl – sich neben mir niedergelassen hatte. Beim Rüberrutschen hatte sein Ellbogen meine Schulter berührt. Verwirrt rieb ich die kribbelnde Stelle. Ruby zog sich einen Stuhl heran und setzte sich auf seine andere Seite. Dann warf sie mir einen Blick zu, der nicht halb so freundlich war wie der vom Vorabend.
Ich sah weg und rückte von dem elektrisch geladenen Jungen ab. Da ich nicht noch mal das Gleiche wie im Kunstgeschichtskurs erleben wollte, suchte ich den Raum nach einem freien Platz ab und fand einen in der Reihe vor mir. Ich nahm meine Sachen und wollte gerade aufstehen, als Dr. Chad mit dem Gastdozenten hereinkam. Ich blieb sitzen, atmete durch und rückte noch ein wenig weiter von Seth ab – gerade so weit, dass ich nicht auf Kumals Schoß landete. Dann legte ich die Hände an meine Schläfen (wie Scheuklappen bei Pferden) und achtete darauf, jeden Körperkontakt mit ihm zu vermeiden. Irgendwie gelang es mir, mich auf den Unterricht zu konzentrieren.
Der Wissenschaftler kam von einem Forschungsinstitut in Queensland, wo er Experimente mit dem Energiespektrum von Molekülen durchführte. Hochinteressant. Als es klingelte, bot er an, den Schülern, die nicht gleich zum nächsten Kurs mussten, noch Fragen zu beantworten. Zum Glück fiel mein Lateintutorium aus. Leider hatte Seth auch frei. Doch erhielt sich von mir fern und ich vermied jeglichen Blickkontakt.
Es kam mir vor, als wären nur fünf Minuten bis zum nächsten Klingeln vergangen, doch diesmal musste ich mich wirklich beeilen. Ich hatte Chemie bei Dr. Burleigh und da durfte man sich auf keinen Fall verspäten.
Als ich mit meinen Büchern rasch über den Innenhof lief, hörte ich Schritte hinter mir. Ich musste mich nicht umdrehen, ich wusste, wer es war. Ich konnte spüren, wie er näher kam.
»Livia, warte!« Er streckte den Arm aus und fasste meine Schulter. Schon wieder ein Stromschlag. Ich schüttelte mich und drehte mich zu ihm um.
»Ich heiße E…«, setzte ich an, doch dann sah ich in
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