Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
verstrich.
    Schon färbte das Viereck seines Zimmerfensters sich in blasses Grau, als er endlich wieder in willkommene Bewusstlosigkeit glitt.
     
    Und so kam es, dass er spät am Morgen die Treppen zu seiner Schreibstube emporstieg, flankiert von seinen geisterhaften Begleitern. Er war erschöpft vom Mangel an Schlaf, und ohne große Begeisterung sah er der seit einer Woche vernachlässigten Korrespondenz und Buchführung entgegen, die sich seit der Stunde von Iselles unglückseliger Verlobung in ungeordneten Haufen auf seinem Schreibpult angesammelt hatte.
    Seine Damen waren schon früh aufgestanden. Im Aufenthaltsraum unmittelbar neben Cazarils Schreibstube lagen seine neuen Karten für den Unterricht ausgebreitet auf dem Tisch. Iselle blickte darauf, während Betriz die Arme unter der Brust verschränkt hatte und mit sorgenvoller Miene über Iselles Schulter blickte. Die beiden jungen Frauen – wie auch Nan dy Vrit, die dabeisaß und stickte – trugen Schwarz und Lavendel, die förmliche Trauerkleidung des Hofes.
    Als Cazaril eintrat, sah er neben Iselles Hand ein Häufchen Papierfetzen, die mit Listen voll geschrieben waren. Einige Einträge waren durchgestrichen, andere eingekreist oder abgehakt. Iselle hatte eine mürrische Miene aufgesetzt. Sie zeigte auf einen Punkt der Karte, der mit einer stabilen Hutnadel markiert war, und sagte über die Schulter zu ihrer Zofe: »Aber das ist nicht besser als …« Sie verstummte, als sie Cazaril bemerkte. Der dunkle, unsichtbare Mantel umklammerte sie noch immer; nur hin und wieder blitzte noch ein schwacher Faden aus blauem Licht zwischen den trägen Falten. Die Geister-Flecken schwebten hektisch von dieser Aura fort und verschwanden aus seinem inneren Blick, was Cazaril nur zum Teil erleichterte.
    »Alles in Ordnung mit Euch, Lord Cazaril?«, fragte Iselle. Sie schaute ihn an und kniff die Brauen zusammen. »Ihr seht nicht gut aus.«
    Cazaril verneigte sich zur Begrüßung. »Ich entschuldige mich für meine gestrige Abwesenheit, Prinzessin. Ich litt unter … einer Kolik. Sie hat sich inzwischen weitestgehend gelegt.«
    Nan dy Vrit auf ihrem Platz in der Ecke schaute von den Näharbeiten auf, warf Cazaril einen unfreundlichen Blick zu und meinte: »Das Zimmermädchen hat gehört, dass Ihr einen schweren Kopf hattet, vom Trinken und Feiern mit den Stallknechten. Sie sagte, sie sah Euch nach Lord Dondos Bestattung so betrunken heimkommen, dass ihr kaum noch torkeln konntet!«
    Er war sich Betriz’ unglücklicher Aufmerksamkeit nur allzu bewusst und meinte entschuldigend: »Trinken ja. Feiern nein. Es wird nicht wieder vorkommen, werte Dame.« Ein wenig sarkastisch fügte er noch hinzu: »Es hat ohnehin nichts gebracht.«
    »Es ist ein Skandal für die Prinzessin, wenn ihr Schreiber so betrunken ist, dass er …«
    »Still, Nan«, unterbrach Iselle ungeduldig die Belehrung. »Lass gut sein.«
    »Was ist das?« Cazaril wies auf die nadelbesetzte Landkarte.
    Iselle holte tief Luft. »Ich habe darüber nachgedacht, seit Tagen schon. Solange ich unverheiratet bin, werde ich zum Gegenstand von Intrigen. Ich bezweifle nicht, dass dy Jironal irgendeinen anderen Bräutigam zu Tage fördern wird, um mich und Teidez an seine Sippe zu binden. Und wo jetzt offensichtlich ist, dass Orico mich ohne Zögern auch mit dem niederen Adel vermählen würde, wird jeder Landadlige in Chalion ihn um meine Hand drängen. Meine einzige Verteidigung, meine einzige sichere Zuflucht würde darin bestehen, bereits verheiratet zu sein. Und zwar nicht mit einem niederen Edelmann!«
    Cazaril hob die Brauen. »Ich muss gestehen, Hoheit, dass meine eigenen Gedanken auch schon in diese Richtung gingen.«
    »Und rasch, Cazaril! Bevor sie mit jemandem erscheinen können, der noch widerlicher ist als Dondo.« Ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Aufregung.
    »Vor dieser Herausforderung sollte selbst unser lieber Kanzler verzagen«, murmelte Cazaril zaghaft, worauf Iselle zu seiner Freude mit einen Lachen reagierte. Er schürzte die Lippen. »Die Not ist groß, das muss ich zugeben. Aber die Gefahr ist nicht so drückend, wie Ihr andeutet. Dy Jironal selbst wird den niederen Adel von Euch fern halten, da bin ich sicher. Wir müssen uns zunächst darauf konzentrieren, dy Jironals nächsten Kandidaten abzuwehren. Allerdings, wenn ich so über seine Familie nachdenke, wüsste ich nicht, wen er aufzubieten hätte: Seine Söhne sind beide verheiratet, ansonsten hätte er womöglich schon einen von ihnen an

Weitere Kostenlose Bücher