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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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noch im Alter gezeugt hat – wie war noch gleich der Name?«, wollte dy Rinal wissen.
    »Prinz Bergon«, warf Cazaril ein.
    »O ja«, meinte dy Maroc. »Der ist allerdings fast noch ein Kind. Und der Fuchs könnte jederzeit sterben und seinen Thron einem unreifen Jüngling überlassen.«
    »So unerfahren ist Bergon nun auch wieder nicht«, wandte Cazaril ein. »Im Tross seiner verstorbenen Mutter hat er eine Belagerung erlebt und einen Bürgerkrieg überstanden. Und man sollte annehmen, dass der Fuchs keinen Dummkopf gezeugt hat.«
    »Der erste Sohn war aber einer«, erklärte dy Rinal. »Seine Gefolgsleute in solcher Unordnung zurückzulassen …«
    »Man kann nicht den Tod durch Fieber auf mangelnden Verstand zurückführen«, sagte Cazaril.
    »Wenn es tatsächlich Fieber war«, gab dy Rinal zu bedenken und schürzte bei diesem neuen Verdacht die Lippen.
    »Glaubt Ihr etwa, der Fuchs würde seinen eigenen Sohn vergiften?«, fragte dy Maroc.
    »Seine Agenten, Mann!«
    »Nun, das hätte er auch früher haben können, und Ibra damit eine Menge Kummer erspart …«
    Cazaril lächelte dünn, stieß sich am Tisch hoch und überließ dy Rinal und dy Maroc ihren Mutmaßungen. Seine alkoholbedingten Leiden waren abgeklungen, und nach dem Abendessen fühlte er sich besser. Doch er litt noch immer an einer zittrigen Erschöpfung – kein Zustand, den er als gesund bezeichnen würde. Da es keine Anweisungen von der Prinzessin gab, legte er sich wieder ins Bett.
    Er war zu müde, um noch Angst zu verspüren, und so schlief er bald ein. Doch gegen Mitternacht schreckte er aus dem Schlaf. Die Schreie eines Mannes hallten durch seinen Kopf, wie aus großer Ferne: Schreie, ein ersticktes Schluchzen und ein Aufheulen voll unterdrückter Wut. Cazaril fuhr hoch. Sein Herz raste, und suchend drehte er den Kopf, um die Quelle der Geräusche auszumachen. Schwach und seltsam erklangen sie von jenseits der Schlucht – aus dem Zangre? Oder vom Fluss unterhalb seines Fensters? Jedenfalls schien niemand in der Burg darauf zu reagieren; er hörte keine Schritte, keine fragenden Rufe von den Wachen. Es dauerte einige weitere Augenblicke, ehe Cazaril erkannte, dass er die gequälten Schreie nicht mit den Ohren wahrnahm – genauso wenig, wie er die blassen Flecken, die um sein Bett schwebten, mit den Augen sah. Und er erkannte die Stimme.
    Er legte sich wieder zurück, keuchend und zitternd, und ertrug den Aufruhr noch weitere zehn Minuten. Bereitete sich Dondos verfluchte Seele darauf vor, aus dem Wunder der Herrin auszubrechen und ihn mit in die Hölle zu reißen? Schon wollte er aus dem Bett springen und hinüber in die Menagerie laufen – so wie er war, in seinen Nachtgewändern –, um dort an die Tür zu hämmern, Umegat zu wecken und den Heiligen um Hilfe anzuflehen.
    Plötzlich verstummten die Schreie.
    Es war ungefähr die Stunde von Dondos Tod, erkannte Cazaril. Ob der Geist zu dieser Zeit über irgendwelche besonderen Kräfte verfügte? Cazaril konnte nicht sagen, ob in der letzten Nacht das Gleiche geschehen war oder nicht; er war zu dem Zeitpunkt viel zu betrunken gewesen. Ein beunruhigender Albtraum hatte sich in wirren Bildern mit dem nächsten vermischt.
    Es könnte schlimmer sein, sagte er sich, während sein Pulsschlag sich allmählich wieder beruhigte. Dondo hätte eine Stimme bekommen können! Der Gedanke, Dondos Geist könnte jede Nacht zu ihm reden – in Form von Drohungen, Beschimpfungen oder bösartigen Einflüsterungen –, ängstigte Cazaril viel mehr, als die Schreie es vermochten. Er weinte eine Zeit lang aus Furcht vor der bloßen Vorstellung.
    Vertraue auf die Herrin. Vertraue auf die Herrin. Er flüsterte einige Gebete und erlangte allmählich die Kontrolle über sich selbst zurück. Wenn die Herrin ihn aus irgendeinem Grund so weit gebracht hatte, würde Sie ihn jetzt sicher nicht allein lassen.
    Ein neuer, schrecklicher Gedanke kam ihm in den Sinn, als er Umegats Erklärungen im Geiste noch einmal durchging: Wenn die Göttin nur in die Welt eintreten konnte, weil Cazaril zu Ihren Gunsten auf seinen freien Willen verzichtete, konnte dann sein verzweifelter Wunsch auf Leben – ohne Zweifel ein Willensakt – ausreichen, Sie und Ihr Wunder wieder auszuschließen? Ihre schützende Ummantelung konnte aufplatzen wie eine Seifenblase und Tod und Verdammnis freilassen … Seine Gedanken kreisten wieder und wieder um diese logische Schleife und ließen ihn stundenlang nicht einschlafen, während die Nacht langsam

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