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Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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war keine Pflanze, aber auch er hatte seine Bedürfnisse, und selbst der beiläufigste Blick auf sie erinnerte ihn daran. Sabrina war von vollkommener Schönheit – und diese Schönheit war völlig natürlicher Art. Andere Mädchen schafften es, ihre Schönheit mit Hilfe von Kosmetik oder Spezialzaubern zu erhöhen, doch neben Sabrina wirkten alle anderen Frauen ein wenig künstlich. Sie war kein Feind!
    Sie kamen zum Ausblicksfelsen. Das war kein besonders steiles Vorgebirge, aber durch seine Situationsmagie wirkte es viel höher, als es in Wirklichkeit war, so daß sie auf ein Viertel der Fläche von Xanth hinabblicken konnten. Es war ein Land von buntem Bewuchs, kleinen, hübschen Teichen und trügerisch stillen Feldern von Blumen, Farnen und Nutzpflanzen. Sogar beim Zuschauen weitete sich einer der Teiche ein wenig und wurde scheinbar kühler und tiefer, ein noch schönerer Ort zum Schwimmen.
    Bink dachte kurz darüber nach, wie schon so oft. Er besaß einen unruhigen Geist, der ihn andauernd mit Fragen belästigte, auf die es keine Antwort gab. Als Kind hatte er Eltern und Freunde beinahe zur Weißglut gebracht mit seinem ›Warum ist die Sonne gelb‹, ›Warum nagen Menschenfresser Knochen‹, ›Warum können Seeungeheuer nicht zaubern‹ und ähnlich kindischem Geplapper. Kein Wunder, daß man ihn schon bald auf die Zentaurenschule abgeschoben hatte. Nun hatte er gelernt, seinen Mund zu halten, doch nicht sein Gehirn, und so ließ er es schweigend weiterlaufen.
    Belebte Zauber konnte er verstehen, wie etwa den des unglückseligen Chamäleons; sie erleichterten das Leben, das Überleben oder auch den Selbstausdruck belebter Wesen. Aber warum sollten unbelebte Dinge Magie haben? Machte ein Teich sich etwas daraus, wer in ihm schwamm? Na ja, vielleicht; ein Teich war eine ökologische Einheit, und die Gemeinschaft der Wesen in ihm mochte ein Interesse daran haben, das zu fördern. Vielleicht war auch ein Süßwasserdrache dafür verantwortlich, der damit Beute anlockte. Drachen waren die vielfältigste und gefährlichste Lebensform in Xanth; sie bewohnten Luft, Erde und Wasser, und einige von ihnen spien Feuer. Eines hatten sie alle gemeinsam: einen gesegneten Appetit. Der Zufall allein bescherte vielleicht nicht genügend Frischfleisch, also mußten sie wohl nachhelfen.
    Aber was war mit dem Ausblicksfelsen? Er war kahl, war noch nicht einmal mit Flechten bewachsen und nicht besonders schön. Warum sollte er sich Gesellschaft wünschen? Und wenn das der Fall sein sollte, warum machte er sich nicht einfach hübscher, anstatt grau und kahl zu bleiben? Die Leute kamen nicht hierher, um den Felsen zu bewundern, sondern um den Rest von Xanth zu bestaunen. Ein solcher Zauber führte sich doch selbst ad absurdum!
    Da stieß sich Bink seinen Zeh an einem scharfen Stück Stein. Er stand gerade auf einer Terrasse aus Splittergestein, die sich vor Generationen durch das Auseinanderbrechen eines schön gefärbten Felsens gebildet hatte, und…
    Das war es! Dieser andere Felsen, der sich in der Nähe des Ausblicksfelsens befunden hatte und von gleicher Größe gewesen sein mußte, war zertrümmert worden, um daraus diesen Pfad und die Terrasse zu schaffen. Der Ausblicksfelsen hatte überlebt. Niemand würde ihn nun zertrümmern, denn er würde einen häßlichen Pfad abgeben, und seine selbstlose Magie machte ihn eben an der Stelle nützlich, an der er stand. Ein kleines Geheimnis war enthüllt.
    Trotzdem gab es da noch philosophische Fragen, beharrte sein unersättlicher Verstand. Wie konnten unbelebte Dinge denkenoder Gefühle haben? Was galt einem Fels das Überleben? EinFelsen war doch nur der Überrest einer früheren Steinschicht; warum sollte er also eine eigene Persönlichkeit haben und die Steinschicht nicht? Aber diese Frage konnte man auch über den Menschen stellen: Er war aus dem Gewebe von Pflanzen und Tieren gemacht, die er verzehrte, und doch besaß er ein eigenes –
    »Worüber wolltest du mit mir reden, Bink?« fragte Sabrina geziert.
    Als wenn sie das nicht wußte! Doch während sein Gehirn die richtigen Worte bildete, weigerte sich sein Mund, sie auch auszusprechen. Er wußte schon, was sie darauf antworten mußte.
    Niemand konnte über seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag hinaus in Xanth bleiben, wenn er vorher nicht irgendeine magische Fähigkeit unter Beweis gestellt hatte. Binks eigener entscheidender Geburtstag lag kaum noch einen Monat entfernt. Er war nun kein Kind mehr. Wie sollte sie einen

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