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Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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echtes, verständliches Reden auf große Entfernungen ohne den Gebrauch von Stimmbändern. Er hatte dieses Talent als Baum beibehalten, und da er sehr viel Zeit zum Nachdenken hatte, kamen die Dorfbewohner häufig zu diesem Baum, um sich Rat einzuholen. Der Rat war oft sehr gut. Justin war kein Genie, aber der Baum besaß eine größere Objektivität, wenn es um menschliche Probleme ging.
    Bink fiel ein, daß Justin als Baum vielleicht besser dran war als ein Mensch. Er mochte die Leute, aber es hieß, daß er in seiner menschlichen Gestalt nicht besonders gut ausgesehen hatte. Als Baum war er recht ansehnlich und stellte für niemanden eine Gefahr dar.
    Sie schritten auf Justin zu. Plötzlich sagte eine Stimme unmittelbar vor ihnen: »Freunde, kommt nicht näher. Hier lauern Grobiane.«
    Bink und Sabrina blieben stehen. »Bist du es, Justin?« fragte sie. »Wer lauert da?«
    Doch der Baum konnte nicht genausogut hören wie reden und gab keine Antwort. Holz schien nicht gerade die besten Ohren zu haben.
    Wütend machte Bink einen Schritt auf Justin zu. »Justin gehört zur Gemeinde«, murmelte er. »Niemand hat ein Recht…«
    »Bitte, Bink!« flehte Sabrina und zog an seinem Arm. »Wir wollen keine Schwierigkeiten bekommen.«
    Nein, sie wollte nie Schwierigkeiten bekommen. Er wollte zwar nicht so weit gehen, darin einen Fehler zu sehen, aber manchmalwar es wirklich lästig. Bink ließ sich nie durch Ärger oder Schwierigkeiten von irgend etwas abhalten, wenn es um Prinzipien ging. Aber Sabrina war schön, und er hatte ihr heute abend schongenug Ärger gemacht. Er drehte sich um, um mit ihr zusammen von dem Baum fortzugehen.
    »He, das ist unfair!« rief eine Stimme. »Sie gehen weg.«
    »Justin muß gepetzt haben«, rief eine andere Stimme.
    »Dann laßt uns Justin umhauen.«
    Bink blieb wieder stehen. »Das tun sie nie!« sagte er.
    »Natürlich nicht«, stimmte Sabrina ihm zu. »Justin ist ein Dorfdenkmal. Beachte sie einfach nicht weiter.«
    Doch die Stimme des Baumes erklang wieder, ein wenig falsch plaziert für Bink und Sabrina – ein Zeichen für mangelhafte Konzentration. »Freunde, bitte holt schnell den König. Diese Grobiane haben eine Axt oder so etwas, und außerdem haben sie Locobeeren gegessen.«
    »Eine Axt!« rief Sabrina entsetzt.
    »Der König ist nicht da«, brummte Bink. »Außerdem ist er sowieso senil.«
    »Und er hat seit Jahren allenfalls noch einen Sommerschauer herbeigezaubert«, stimmte Sabrina ihm zu. »Als er noch seine vollen magischen Kräfte hatte, haben es die Kinder nicht gewagt, so viel Unfug anzustellen.«
    »Wir jedenfalls nicht«, antwortete Bink. »Erinnerst du dich noch an den Hurrikan mit den sechs Tornados am Rand, den er beschworen hat, um den letzten Zappler am Laichen zu hindern? Damals war er noch ein richtiger Sturmkönig. Er…«
    Da hörten sie, wie Metall in Holz hineinbiß. In der Luft erscholl
    ein Schmerzensschrei. Bink und Sabrina zuckten zusammen.
    »Das ist Justin!« sagte sie. »Sie tun es doch!«
    »Ist sowieso zu spät, um den König zu holen«, sagte Bink. Er rannte auf den Baum zu.
    »Bink, nicht!« rief Sabrina hinter ihm her. »Du hast keine magischen Fähigkeiten!«
    In diesem Augenblick der Krise kam also endlich die Wahrheit ans Tageslicht. Sie glaubte gar nicht wirklich, daß er Talent besäße. »Ich habe aber Muskeln!« brüllte er zurück. »Geh du Hilfe holen.«
    Justin schrie wieder auf, als sich die Klinge ein zweites Mal in sein Holz senkte. Es war ein gespenstisches, hölzernes Geräusch. Dann war Gelächter zu hören – das fröhliche Lachen von Kindern, die einen Streich spielen, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Loco? Von wegen! Das hier war einfach nur Gefühllosigkeit.
    Dann kam Bink an. Und – war allein. Gerade, als er in Stimmung gekommen war und sich auf eine ordentliche Prügelei eingestellt hatte. Die boshaften Kinder waren fort.
    Er hätte erraten können, wer es gewesen war, aber das brauchte er nicht. »Jama, Zink und Potipher«, sagte Justin Baum. »Auuuu, mein Fuß!«
    Bink kauerte sich nieder, um den Einschnitt zu untersuchen. Das Holz war frisch angeschlagen, und rotes Harz begann herauszutropfen – ganz wie Blut. Keine allzu ernste Verletzung für einen Baum von dieser Größe, aber bestimmt außerordentlich schmerzhaft.
    »Ich hole ein paar Kompressen dafür«, sagte Bink. »Im Wald gibt es ganz in der Nähe ein paar Korallenschwämme. Wenn dich jemand belästigen sollte, während ich fort bin, dann

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