Chamäleon-Zauber
sein.
»Gehen wir, Bink«, sagte Sabrina. In ihrer Stimme klang Ekel mit, der sich offiziell zwar gegen die Eindringlinge richtete, der sich aber, wie Bink vermutete, zum Teil auch auf ihn bezog. Eine machtlose Wut fing an, in ihm emporzusteigen – eine, die er schon viele Male zuvor empfunden hatte, an die er sich jedoch nie hatte gewöhnen können. Er war daran gehindert worden, ihr einen Antrag zu machen, weil er kein Talent besaß, und aus demselben Grund durfte er nicht hierbleiben. Weder hier am Ausblicksfelsen noch in Xanth. Weil er einfach nicht ins Schema paßte.
Sie schritten den Pfad zurück. Die Witzbolde, die sich an ihren Opfern nicht weiter ergötzen konnten, gingen fort, um andere Streiche auszuhecken. Die Landschaft wirkte mit einemmal gar nicht mehr so hübsch. Vielleicht wäre es besser, wenn er nicht länger hierbliebe. Vielleicht sollte er schon jetzt gehen und nicht darauf warten, offiziell ins Exil geschickt zu werden. Wenn Sabrina ihn wirklich liebte, dann könnte sie ja mitkommen – selbst nach draußen, nach Mundania.
Nein, so naiv war er nicht. Sabrina liebte ihn – aber Xanth liebte sie auch. Sie sah so süß aus, hatte solch küssenswerte Lippen, daß sie leichter einen anderen geeigneten Mann finden konnte, als sich an das harte Leben unter den Nichtmagischen anzupassen. Davon abgesehen, konnte er selbst auch leichter ein anderes Mädchen finden als… das, was ihm bevorstand. Objektiv gesehen, wäre es wahrscheinlich besser für ihn, allein fortzugehen.
Warum stimmte sein Herz dem also nicht zu?
Sie kamen an dem braunen Stein vorbei, auf dem das Chamäleon gehockt hatte, und er erschauerte.
»Warum fragst du denn nicht Justin?« schlug Sabrina vor, als sie sich dem Dorf näherten. Es war dämmrig und wurde hier unten schneller dunkel als oben auf dem Ausblicksfelsen. Die Lampen im Dorf gingen an.
Bink blickte zu dem einmaligen Baum hinüber, auf den sie gewiesen hatte. Es gab vielerlei Bäume in Xanth, und einige von ihnen waren sehr wichtig für die Wirtschaft. Man zapfte Bierfaßbäume an, um Getränke daraus zu gewinnen, undÖlfaßbäume wegen des Brennstoffs, und Binks eigene Schuhe stammten von einem reifen Schuhbaum östlich vom Dorf. Aber Justin Baum war etwas Besonderes, eine Art, die nie aus einem Samen hervorgegangen war. Seine Blätter hatten die Form von flachen Händen, und sein Stamm besaß die Form von gebräuntem menschlichen Fleisch. Das war auch kaum verwunderlich, denn schließlich war er ja auch einmal menschlich gewesen.
In einem einzigen Augenblick blitzte diese Geschichte an Binks innerem Auge vorbei. Es war ein Teil der bunten Überlieferungen von Xanth. Vor zwanzig Jahren hatte es einmal einen der größten Bösen Magier Xanths gegeben, einen jungen Mann namens Trent. Er hatte die Fähigkeit der Transformation besessen – die Macht, jedes Lebewesen in jedes beliebige andere Lebewesen zu verwandeln. Da er sich mit seiner Stellung als Magier, die ihm in Würdigung seiner beachtlichen Macht verliehen worden war, nicht zufriedengeben mochte, hatte Trent seine Macht dazu zu gebrauchen versucht, den Thron von Xanth an sich zu reißen.
Er war sehr schlicht und direkt dabei vorgegangen: Er verwandelte alles, was sich gegen ihn stellte, in etwas, was sich nicht mehr gegen ihn stellen konnte. Die gefährlichsten Gegner verwandelte er in Fische – und zwar auf dem trockenen Land, die er so lange herumzappeln ließ, bis sie tot waren. Diejenigen, die ihm lediglich lästig waren, wurden in andere Tiere oder Pflanzen verwandelt. So verdankten ihm zahlreiche intelligente Tiere ihre Existenz; wenn sie auch Drachen, zweiköpfige Wölfe und Landoktopi waren, behielten sie doch die Intelligenz von Menschen und auch ihre Ansichten.
Trent war nun fort, aber sein Werk blieb bestehen, denn es gab keinen anderen Transformator, der sie hätte zurückverwandeln können. Heißsitze, Holographien und unsichtbare Wände waren zwar Qualifikationsmerkmale, doch Transformationen hatten ein anderes Format. Eine solche Macht trat nur einmal in jeder Generation auf und selten zweimal auf die gleiche Weise. Justin hatte zu denen gehört, die Trent als Belästigungen empfunden hatte – niemand erinnerte sich mehr, was er eigentlich getan hatte –, also war Justin zu einem Baum geworden. Niemand konnte ihn in einen Menschen zurückverwandeln.
Justins eigenes Talent war die Stimmenprojektion gewesen, nicht Bauchreden oder triviales Beschwören irrsinnigen Gelächters, sondern
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