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Die Todespfeiler

Die Todespfeiler

Titel: Die Todespfeiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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1.
    Seine Stiefel waren frisch eingeölt und geputzt. Aber selbst die sorgfältigste Pflege konnte die scharfen Ränder nicht beseitigen, die von Salz und Seewasser stammten und sich tief ins Leder eingegraben hatten. Die Stiefel stanken fast so sehr wie die toten Fische, die zwischen den Bordwänden der Schiffe schwammen. Seevögel und kleine Fische fraßen an den Kadavern.
    »So ist es«, murmelte Casson im Selbstgespräch. »Die Großen verfaulen, die Kleinen fressen die Großen, und wenn die Kleinen groß genug sind, werden sie von den Großen gefressen.«
    Logghards Hafen bot um diese Zeit ein seltsames, geradezu freundliches Bild.
    Am Himmel zeigte sich keine einzige Wolke. Bis auf die Ahnung eines dunklen Streifens an Backbord spannte sich ein leuchtend blauer Himmel über das Land, die Küste und das Meer.
    Casson fühlte, wie die Sonne auf seinen Nacken und seine Stirn brannte. Nachdenklich drehte er an der Steuerbordspitze seines geschwungenen, grauweiß melierten Schnurrbarts, dann kämmten seine Finger mit den abgestoßenen, schmutzigen Nägeln den Kinnbart.
    »Shallad Luxon!« brummte der Salamiter sarkastisch. »Beiße nicht mehr herunter, als was du kauen kannst! Dreihundert Schiffe! Daß ich nicht grinse. Und hundert Schiffe sind schon fort. Welch ein Unterfangen!«
    Wenn jemand Casson zuhörte, war er bald der sicheren Überzeugung, daß der hochgewachsene Schiffer Streit suchte. Auf jeden Fall war er ein aufsässiger Charakter, der den Maßnahmen des jungen Shallad nichts anderes als lästernde Kritik entgegenbrachte. Aber die schweren goldenen Ringe an seinen talgverschmierten Fingern bewiesen, daß Casson über eine bestimmte Macht verfügte.
    Jetzt sah er zu, wie die Befehle des Shallad ausgeführt wurden.
    »Dreihundert Schiffe!« wiederholte er und stand auf.
    Er zählte schätzungsweise fünfunddreißig Lenze. In seinem rechten Ohr hing ein dicker Goldring, in den ein blutroter Stein gefaßt war. Breite Schultern, harte Muskeln unter dem dicken Leinenhemd, breite Lederreifen mit dicken Kupfernieten daran, verrieten, daß er alles andere als ein Schwächling war. In Logghard jedenfalls war er neu. Seine unmittelbare Aufgabe würde es sein, sich überall Respekt zu verschaffen. Wenn er dies nicht in den ersten Tagen schaffte, würde er den Auftrag Luxons nicht richtig erfüllen können.
    Er blieb breitbeinig hinter einer Gruppe von Schiffszimmerleuten stehen. Mit Tauen und Flaschenzügen waren zwei Dutzend großer Schiffe aus dem Wasser und ins Dock gezogen worden. Jetzt gingen Arbeiter daran, das Unterschiff vom Bewuchs zu befreien und zu überholen, die Planken abzudichten und mit warmem Erdpech zu verfugen. Die Zimmerleute standen da, tranken kaltes Wasser, aßen und scherzten. Das Erdpech im Kessel kochte.
    »Mir scheint«, hörten sie plötzlich hinter sich eine knarrende Stimme, »daß euch der Shallad zu gut bezahlt hat?«
    Die Zimmerleute drehten sich überrascht herum. Hinter dem Ruder trat ein grauhaariger, vollbärtiger Mann hervor. Er musterte sie mit seltsam durchdringenden Augen.
    »Wer bist du, daß du so mit uns redest?« wollte der Meister wissen.
    »Ich bin derjenige, der dem Shallad berichtet. Ich weiß auf ein Goldstück genau, wieviel ihr für die Arbeiten bekommen habt. Ich bin der Salamiter, den man Casson nennt, du träger Bruder eines Schläfers.«
    »Casson? Nie gehört.«
    Die Arbeiter lachten rauh und machten keinen Versuch, wieder nach ihren Werkzeugen zu greifen. Andere Arbeitsgruppen waren aufmerksam geworden und hörten auf, Holz zu sägen, Oberflächen zu glätten und Seile zu schlagen.
    »Du wirst den Namen bald kennenlernen. Ich kann mich beim Meister deiner Gilde beschweren. Ich kann deinen Namen dem Shallad nennen. Oder noch etwas Besseres: ich kann dich mitnehmen, wenn wir in See gehen.«
    Jetzt hörten sie auf zu lachen. Zögernd standen die Männer auf und packten ihre Schälmesser, Äxte und Spatel.
    »Dann bist du…«
    »Ja. Ich bin Casson. Man sagt mir nach, daß Männer, die ich nicht leiden kann, böse Zeiten auf meinen Schiffen erleben. Ich werde mit euch und dreihundert Schiffen lossegeln. Ein Ehrenplatz im untersten Ruderraum, dir ist er sicher!«
    »Meister der Wellen«, versuchte sich der Handwerker herauszureden. »Die Sonne, sie sticht. Wir tranken nur und machten eine Pause.«
    »Die Sonne, sie sticht auch dort drüben, und bei den Segelmachern, und bei denen, die Ruder schnitzen, überall. Geht an die Arbeit! Ihr wißt, daß wir eine

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