Champagnerwillich: Roman
ich das auch schnell erledigen.
»Ich war mir noch nie so sicher bei einer Entscheidung«, erkläre ich dem Mond unter Tränen. Ich kann den Briefkasten schon erspähen und drossele aus unerfindlichen Gründen mein Tempo.
»Ich war mir noch nie so sicher«, sage ich bestimmt.
Sicher?
Bin ich mir überhaupt sicher?
Jetzt sind es nur noch zehn Meter bis zum Briefkasten, und meine Beine schleichen eher, als dass sie gehen.
Mein Entschluss steht fest!, denke ich noch einmal beschwörend und stoppe vor dem Briefkasten. Mit zitternden Händen öffne ich den Schlitz und schiebe den Brief hindurch.
»So, Jil. Jetzt musst du loslassen!«, erkläre ich mir selbst. Aber meine Finger wollen sich nicht von dem Umschlag lösen.
»LOSLASSEN!«, befehle ich, schließe die Augen und lasse den Brief in den Kasten fallen. Fassungslos starre ich den gelben Kasten an. Oh, mein Gott! Was habe ich getan?
»Ich war mir noch nie so unsicher«, sage ich wütend und schleppe mich schweren Herzens und unendlich verloren nach Hause.
Die Nacht war schrecklich! Ich habe geträumt, dass Right und ich vor dem Traualtar stehen, und in dem Moment, alsRight JA zu mir sagen möchte, stürmt Cathalina in die Kirche und schreit: »Das Baby kommt. Bei mir haben die Wehen eingesetzt!«
Ich schlurfe mit gekrümmtem Rücken in die Küche und setze Kaffeewasser auf, als mein Blick auf einen Putzlappen in der Spüle fällt.
Unbegreiflicherweise breche ich in Tränen aus! Hmmm. Ich falle bei dem Anblick eines verdreckten Lappens in tiefe Depressionen, weil er mich an Right erinnert. Ich werde nie mehr nach Paris fahren können, und die Designerklamotten, die Right mir dort gekauft hat, muss ich wegschmeißen. O Gott, ich ertrage den Anblick von Balenciaga, Givenchy und Chanel nicht mehr!
Mein Leben ist zu Ende!
Ich bin obsolet.
Niedergeschlagen lehne ich mich an das Küchenfenster und starre auf einen Müllmann, der gerade die Tonnen vor unserem Haus leert. Game over , denke ich. Man darf halt nie irgendwelche Spiele ohne Continue-Taste spielen!
Auf einmal höre ich Celine Dion aus der Wohnung unter uns, wie sie Because you loved me in die Welt hinausschmettert.
»… for all the joy you brought to my life …«
Schluchz!
»… for every dream you made come true …«
Dieses Lied …
»… I’ll be forever thankful baby …«
deprimiert mich …
»… you saw the best there was in me …«
so sehr …
»… I’m everything I am because you loved me …«
dass ich …
»… you said no star was out of reach …«
keine Möglichkeit sehe …
»… I had your love I had it all …«
meine Mascara …
»… I’m grateful for each day you gave me …«
vom …
»… I was blessed because I was loved by you …«
Weglaufen …
»… My world is a better place because of you …«
abzuhalten.
»… I’m everything I am because you loved me …«
Na, wenigstens kurble ich die Taschentuchindustrie ein wenig an. Ich schleiche mit einem Paket Taschentüchern und einem Pullover von Right unter dem Arm zurück ins Bett. So sitze ich nun da, die nächsten drei Stunden. Heulend und schniefend und mit der Erkenntnis, dass mein Leben noch nie so perniziös war wie jetzt.
Ich verstehe nicht, warum die Leute immer sagen, man solle sich ruhig mal so richtig ausheulen. Danach fehlt einem doch immer noch das, was einem davor gefehlt hat.
Man sieht nur zusätzlich aufgequollen aus. Ich fühle mich so schrecklich einsam. Vielleicht sollte ich mir eine Calzone machen? Ich bin schon ganz geschwächt von dem vielen Trauern.
So ein Mist! Jetzt habe ich die Calzone in den Mülleimer geworfen und die Verpackung in den Ofen geschoben. Ach, ich hatte sowieso keinen Hunger. Ich denke, ich werde nie wieder Hunger haben! Wo ist die Wodkaflasche? Es hat ja doch keinen Sinn, gegen eine Kachexieanzukämpfen! Beschließe, mich zu betrinken in der Hoffnung, dass es mich für einen kurzen Moment zurück zu Right bringt.
Ich durchsuche die Wohnung und den Keller. Ohne Erfolg.
Hmmm.
Jetzt haben wir noch nicht einmal mehr Alkohol im Haus. Ach ja, richtig. Ich hatte ja erst neulich meine langfristige Kapitalanlage versoffen. Aber das ist wirklich nicht der Moment für uneingeschränkte Selbstkritik. Werde mich wohl oder übel in eine Bar schleppen müssen.
Ich danke dem Herrn und Jim an der Bar für das Recht auf öffentlichen Alkoholausschank. Nachdem ich dreieinhalb Gläser Champagner getrunken habe, geht es mir erheblich
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