Champagnerwillich: Roman
»Eieieieine echechechechte Seltenheiheiheit.«
Wortlos blickt mich die Putzfrau an, fährt mit dem Wischmopp von meinen Schuhen und bearbeitet desinteressiert einen Mülleimer.
Ich denke, das ist der Moment, in dem von mir Protest verlangt wird. Ein mahnendes Wort. Ein drohender Brief an die Chefetage über unfähiges Hygienepersonal. Aber ich bin zu schwach. Nein, ich bin nicht zu schwach, es ist mir egal! Es ist mir egal, wenn meine Jimmy Choos in Putzwasser schwimmen. Alles ist mir egal. Ich steige aus den Pumps und beginne zu weinen.
Auf dem Weg nach Hause laufe ich barfuß durch den Regen und heule.
Ich heule, als ich über die Straße laufe. Ich heule, als ich meine Nachbarn grüße. Ich heule, als ich mich das Treppenhaus hinaufschleiche, und ich heule, als ich die Wohnungstüre öffne.
»Jil, ich habe mich so in dir getäuscht. Ich kann nicht glauben, dass du so eiskalt sein kannst.«
»Ach, hör doch auf, Mark. Du bist mit mir ins Bett gegangen, um Jil eifersüchtig zu machen?« Luisa und Mark stehen im Flur und schreien sich an.
»Ihr Männer seit so dämlich. Und du, liebe Jil, hast das wahrscheinlich alles gewusst, nicht wahr? Aber anstatt mich aufzuklären, lässt du mich ins offene Messer laufen. Am besten gehe ich wieder zurück zu Rebecca. Ihr zwei könnt mich nämlich mal!« Luisa schnappt sich wutentbrannt ihren Rucksack, stapft an Mark und mir vorbei und knallt die Wohnungstüre hinter uns zu.
»Toll, Jil! Du kriegst wohl alles kaputt. Es ist unglaublich, wie du das immer machst!« Mark sieht mich mit einem vernichtenden Blick an, läuft an mir vorbei und schmeißt ebenfalls die Wohnungstür hinter mir zu.
Ich. Äh. Moment. Ich blicke ungläubig zur Tür. Sogleich steigen neue Tränen in mir auf. Dieses Mal noch ergreifender und heftiger als zuvor. Mutlos lehne ich mich an die Wand und rutsche unter Tränen an ihr zu Boden.
»Iiiiiiiichchchch hahahahahahahahbebebe maaaal wiewiewiewieder alalalalalles falfalfalsch gegegegemacht!«, weine ich bitterlich. Ich versuche noch, mit Mühe zu verstehen, was hier gerade passiert ist, als mein Heulen in lauthalses Schluchzen mit unregelmäßigen Atemattacken übergeht und ich auf dem kalten Fußboden vollends zusammenbreche.
Vier Stunden später kauere ich immer noch am Boden und weine. Um mich herum haben sich Berge von Taschentüchern, eine kleine halbe Schokoladencremetorte und eine sich im wasserempfindlichen Bodenbelag verewigende Weinpfütze angesammelt. Habe vorhin meinen müden Körper in den Keller geschickt, um Alkohol zu holen. Leider sind mir –wieder im Flur angekommen – die vier Flaschen aus der Hand gerutscht. War aber halb so schlimm. Nachdem ich unter Tränen den Verlust betrauert hatte, habe ich noch drei weitere im Keller gefunden. Und später getrunken. Wollte die Scherben und den vergossenen Wein auch wegwischen, war aber zu deprimiert. Mit verheulten Augen betrachte ich die Lache, die langsam in die Fugen zwischen dem Parkett sickert und die äußeren Ränder zum Quellen bringt. Ich wische mir die Haare aus dem Gesicht und entdecke ein letztes Stück Schokoladencremekuchen auf meiner Chanel-Bluse. Mit etwas Mühe kratze ich das Zeug ab und schluchze erneut. Puh. Taschentücher, ich brauche noch mehr Taschentücher. Und Alkohol. Unter Tränen und lautem Schluchzen greife ich nach einer der drei Flaschen und trinke den letzten Schluck, als mein Blick auf das Etikett fällt. Ein wirklich schönes Etikett. Ich lese die Aufschrift. Ich lese sie erneut. Und erneut.
Im nächsten Moment spucke ich prustend den Alkohol über meine Jeans. Petrus. Merlot. Jahrgang 2000. Aus französischem Exklusivanbaugebiet. Zu je 1450 Euro pro 0,75 Liter. Eine risikoneutrale, gewinnmaximierende und absolut todsichere Kapitalanlage!
Gelernte Wörter: liquidieren = eine Gesellschaft, ein Geschäft auflösen und die damit verbundenen Rechtsgeschäfte abwickeln;
Primipara = eine Frau, die ihr erstes Kind erwartet;
dirimieren = trennen, sich entfremden, lösen.
31
BABYS SIND DIE BESSEREN MÄNNER!
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Es gibt Menschen, die behaupten, das Leben sei wie eine Schachtel Pralinen.«
»Ich habe davon gehört.«
»Wissen Sie, ich teile diese Meinung. Ich hasse Pralinen!«
»Verstehe.«
»… ähm, Jil. Hast du mir überhaupt zugehört?« Ich sitze an meinem Schreibtisch und versuche, meine Gedanken von Right weg zu Vinzenz zu lenken.
»Ja, sicher …« Nun ist er schon sechs Tage fort. Ohne eine
Weitere Kostenlose Bücher