Champagnerwillich: Roman
schnappe mir den Kaffeebecher und flüchte auf eine Couch am anderen Ende des Raumes. Doch als ich mich erleichtert fallen lasse, quietscht es unter mir.
»Hihi, du hast dich auf unseren Plastikgoofie gesetzt.« Zwei kleine Jungen in Latzhose, Baseballcap und laufender Nase stehen vor mir und verbiegen sich vor Lachen.
»Oh, Entschuldigung. Seid ihr beiden Geschwister?«, frage ich sie und reiche ihnen den zerknautschten Plastikgoofie.
»Nein, wir sind Brüder«, quietscht Rotznase eins vor Vergnügen, während Rotznase zwei mir unter Tränen in den Schoß fällt.
»Du hast Goofie kaputtgemacht.« Etwas hilflos betrachte ich das weinende Kind auf mir.
»Ähm, kleiner Mann, das ist Roberto Cavalli, den du da gerade unter dir begräbst.«
»Mmmm-aaaa-mmmm-aaaaahhh! Die Frau hat Goofie kaputtgemacht!«, brüllt der Junge jetzt durch den Raum und läuft mit dem Beweisstück in der Hand zu seiner Mutter.
»Ich … also? Ich …«
»Sie haben wohl noch nicht so viel Erfahrung mit Kindern?«
Als ich hochblicke, sehe ich einen Mann mit einem Baby auf dem Arm vor mir stehen.
»Nein, nicht wirklich.«
»Das ist alles eine Frage der Übung, glauben Sie mir.«
»Nein. Ich kann mit Kindern genauso wenig anfangen wie ein Playboyhase mit Klamotten.«
»Sie müssen nur sich selbst vertrauen. Versuchen Sie es. Ich bin Jeremy.« Jeremy nimmt meine Arme und legt das Babybündel, das er auf seinem Arm hält, hinein.
»Und das ist Paul.« Mit verknirschtem Gesicht halte ich das Kind und warte darauf, dass es anfängt zu schreien.
Aber nichts.
Ruhe.
Absolute Ruhe.
Stattdessen lacht mich der kleine Paul zufrieden an.
»Ich lasse Sie dann mal kurz alleine. Ich habe noch etwas zu erledigen«, sagt Jeremy. Noch ehe ich widersprechen kann, ist er verschwunden.
Puh! Ich allein mit einem Baby. Mir wird warm. Das geht nicht lange gut. Nervös blicke ich mich im Raum nach einem Erwachsenen um, an den ich das Kind weitergeben könnte. Nach erfolgloser Suche sehe ich vorsichtig zurück zu Paul in meinem Arm.
Hmmm. Eigentlich ist er ja ganz süß. Er hat so niedliche kleine Finger. Ob er schon Kraft hat? Ich drücke sanft meinen Finger in Pauls Hand und sehe zu, wie sich seine langsam darumlegen.
»Du bist ein ganz starker kleiner Paul. Aus dir wird sicher einmal ein berühmter Boxer oder Gewichtheber.«
Paul lächelt mich an, als hätte er mich verstanden.
»Oder ein Supermodel. Mit diesem süßen Lächeln machstdu wahrscheinlich mehr Frauen schwach als Brad Pitt.« Ich gebe Paul einen kleinen Kuss auf die Nase und drücke ihn leicht an mich.
Hmmm. So schnell hat noch keiner mein Herz erobert.
Kinder sind einfach sakrosankt.
Und plötzlich weiß ich, was ich tun muss.
»Ich muss mich von Right trennen. Ich meine, Cathalina wird bald sein Baby auf die Welt bringen, das so süß und unschuldig lachen wird wie du. Und dieses Baby hat einen Vater verdient. Den besten Vater der Welt. Und Right hat sein Kind verdient. Das darf ich einfach nicht zerstören. Das siehst du doch genauso, Paul?«
Er strahlt mich an und quietscht laut auf.
Nun gut. Um die Divulsion meines Herzens kümmere ich mich später.
»Das betrachte ich als ein JA.«
Gelernte Wörter: dianoetisch = denkend;
sakrosankt = unantastbar, heilig;
Divulsion = gewaltsame Trennung, Zerreißung.
32
LOSLASSEN
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Wie sicher kann man sich bei einer Entscheidung sein?«
»Sicherlich gibt es die sichere Sicherheit nie mit Sicherheit, weil Sie sicherlich nie sicher sind, ob Sie mit Sicherheit von Sicherheit sprechen können.«
»Verstehe.«
Lieber Ben,
ich habe beschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen und unser Verhältnis zu beenden. Ich habe Paul kennen gelernt, und er hat mein Leben verändert. Es tut mir schrecklich Leid, aber ich weiß, dass ich das Richtige tue. Bitte versuche nicht, meine Meinung zu ändern. Mein Entschluss steht fest, und ich war mir noch nie so sicher bei einer Entscheidung wie bei dieser.
Ich wünsche dir viel Glück und Liebe in deinem Leben.
Lebe wohl,
deine Jil
Entschlossen stecke ich den Brief in einen Umschlag und klebe ihn zu, nicht ohne noch eine kleine, halbstündigeSchluchzpause einzulegen. Ich schlüpfe in meine Jacke, wickle mir Luisas Wollschal um den Hals und mache mich auf den Weg zum Briefkasten. Es ist nach Mitternacht, und die Nächte werden langsam wieder kälter. Ich hätte den Brief vielleicht erst morgen einwerfen sollen. Hmmm, jetzt bin ich unterwegs, jetzt kann
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