Changelings
Schließlich öffnete er mit einem ausgiebig letzten Blick auf seine schlafende Geliebte die Tür und trat in die pastellfarbene petaybeeanische Morgendämmerung hinaus.
Knirschend stampfte er den breiten Pfad entlang, der die Behausungen von Tanana Bay mit der Hütte der O'Neills verband, und schlüpfte durch die unversperrte Tür. Er hatte eigentlich gehofft, seinen Auftrag unbemerkt erledigen zu können, mußte nun aber feststellen, daß der junge Diego Metaxos in einem Schlafsack lag, das Ohr gegen die Falltür gepreßt.
Der Junge erwachte von dem kalten Luftzug, den Namid mit sich brachte. »Guten Morgen«, sagte er mit klarer, hellwacher Stimme.
Namid nickte. Er war nicht zu Gesprächen aufgelegt.
»Sie sind ja früh auf«, bemerkte Diego.
»Ich muß mit Dinah sprechen.«
»Ich glaube nicht, daß die mit Ihnen wird reden können«, meinte Diego.
»Wieso nicht? Was ist ihr denn passiert?«
Diego zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Aber wenn ich mir überlege, wie der Kontakt mit dem Planeten meinem Vater anfangs zugesetzt hat, vermute ich mal, daß es ihr nicht besonders gutgehen dürfte. Das ist bis spät in die Nacht hinein so gegangen.«
»Was soll das heißen - >es ist gegangen Hat irgend etwas sie verletzt?«
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»Vermutlich nicht schlimmer, als sie andere verletzt hat. Aber für Leute mit einer bestimmten Mentalität kann der Erstkontakt mit dem Planeten verheerend sein. Das könnte Ihnen auch passieren.«
»Aber Ihnen ist es nicht so ergangen?«
»Nein. Für mich war es immer wunderschön. Ich bin einfach nur dagelegen und habe an ein Lied gedacht, das ich schreiben würde, über alles, was geschehen war. Ich schätze, für mich dürfte es wohl keine Gefahr mehr darstellen, hinunterzugehen, aber was Sie betrifft, bin ich mir nicht so sicher.«
»Ich werde es riskieren. Aber ... nehmen Sie es bitte nicht persönlich, ich würde lieber allein gehen.«
»Es wäre leichter für Sie, wenn einer von uns dabei wäre.« Der Junge strahlte die Andeutung maskuliner Herausforderung aus.
»Sie sind doch auch nicht hier gebürtig und haben es trotzdem gut überstanden.«
»Ja, aber ich bin auch noch jung.«
»Wenn Sie mich entschuldigen möchten, aber ich will es doch lieber allein versuchen. So festgefahren ist mein Denken nun auch wieder nicht.«
Diego zuckte die Schultern. »Wie Sie wollen. Aber ich werde in ein paar Minuten sowieso hinuntergehen. Es ist schon lange her, seit ich mich das letzte Mal mit Petaybee unterhalten habe. Ich mag zwar kein Einheimischer sein, aber das fehlt mir trotzdem.«
Er gab den Weg frei, und Namid stieg die Treppe hinab, ohne die kleine orangefarbene Katze zu bemerken, die im letzten Augenblick noch durch die Falltür schoß und vor ihm die Stufen hinunterjagte.
Als Bunny erwachte, hielt sie im zweiten Schlafsack auf dem Fußboden ihres Gasthauses nach Diego Ausschau. Er war
verschwunden. Ihre Gastgeber gaben leise Schnarchgeräusche von sich.
Das war gut, denn eigentlich wollte sie jetzt, am Morgen, noch nicht mit Diego sprechen, sie wollte viel lieber versuchen, ungestört ein paar Worte mit Marmion zu wechseln. Diego würde das möglicherweise nicht verstehen. Als Vorwand hätte sie ihm erklärt,
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daß sie Marmie beim Schüren des Feuers und bei der Zubereitung ihres Frühstücks helfen wollte.
Sie zog sich schnell an und verließ die Hütte, schloß erst die Innentür, damit der Kälteschwall die Familie nicht störte, dann die äußere Eingangstür vor der eisigen Diele, wo man die Schneeschuhe, die Skier, zusätzliches Hundegeschirr und anderes Werkzeug aufbewahrte.
Sie klopfte leise an die Tür der Sirgituks, und eine ziemlich verträumte Stimme antwortete: »Ja?«
Marmie sah weniger gefaßt, dafür aber sehr viel glücklicher aus, als Bunny sie je erlebt hatte. Sie trug die Kitteljacke, in der man sie gefangengenommen hatte, als Kleid über langer Unterwäsche und Wollsocken. Sie saß gerade am Tisch der Sirgituks und nippte an einem dampfenden Becher. Ihre Miene wirkte, gelinde gesagt, verträumt.
»Ich dachte, Sie können vielleicht Hilfe brauchen, um den Kessel aufzusetzen«, sagte Bunny.
»Überhaupt nicht. Falls Sie sich daran erinnern mögen ich bin eine ziemlich gute Köchin, und dieser Herd ist auch nicht viel anders als der in der Jagdhütte meines Großvaters auf Banff Zwei, wo ich als Kind manchmal meine Ferien verbracht habe.«
»Das muß schön sein, so leben zu können, wie man gerade möchte«, meinte Bunny und streifte
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