Chaplins Katze, Clintons Kater
arbeitete er am zweiten Band seines komplizierten ›Verfassungscodes‹.
Wie er in seinem Testament verfügt hatte, wurde sein Leichnam im Beisein seiner Freunde seziert und sein Skelett dem University College von London zur Verfügung gestellt.
Lassen Sie uns aber nun zu den späteren Lebensjahren seiner Lieblingskatze zurückkehren, die sich inzwischen zu Hochwürden John Langbourne gemausert hatte. Im Gegensatz zu Bentham »verlegte« sich der Kater, wie uns Sir John schelmisch erzählt, »ganz auf die Kirche«, wurde gesetzt und nachdenklich, und »erwarb sich mit der Zeit einen hervorragenden Ruf für seine Heiligkeit und Gelehrsamkeit«.
Als ich ihn kannte, in seinen späteren Jahren nämlich, rief man ihn nur noch mit dem Namen Hochwürden Doktor John Langbourne; er war gleichermaßen für seine Gesetztheit und für seine Philosophie berühmt. Man bezeugte ihm größten Respekt; und im Allgemeinen ging man davon aus, dass ein Bischofshut nicht fern war, als das hohe Alter all seine Hoffnungen zunichte machte.
Auf das friedvolle Ende der Katze (und das nach all den Makkaroni!) folgte eine Beerdigung, die ein wenig konventioneller war als die seines »Herrn«: »Er schied zum Bedauern seiner vielen Freunde von uns und wurde zu seinen Ahnen versammelt und in Miltons Garten zur ewigen Ruhe gebettet.«
Eines ist sicher: Die Nachfahren von Hochwürden Doktor-Katze und der leichten und leichtlebigen Katzendamen, die während der Herrschaft von George III. mit ihm im Garten ihr Unwesen trieben, streunen unter Umständen noch heute in der Nähe des Queen’s Court herum, aber nie, nie im Leben, bekommen sie auch nur fünf Minuten lang Gespräche von dem Niveau zu hören, das Jeremy Benthams Kater genießen durfte.
LÉON BLUM (1872-1950), französischer Staatsmann, Dichter, Literatur- und Theaterkritiker. Er war dreimal französischer Ministerpräsident, der erste Jude und der erste Sozialist, der diese Position bekleidete. In seinem 1907 erschienenen Buch über die Ehe befürwortete er die »Ehe auf Probe« und erregte damit natürlich großes Aufsehen. Blum liebte Katzen, insbesondere die aristokratischen Siamkatzen, was irgendwie nicht so recht zu seinen ehernen sozialistischen Prinzipien passen will.
Die folgende Geschichte ist noch seltsamer. Eines Tages musste seine Frau zu einer dringenden Operation ins Krankenhaus gebracht werden. Blums damals amtierende Siamkatze »rutschte von einem Möbelstück ab und erlitt einen Oberschenkelbruch«, was dem Premier »doppelte Sorge«
bereitete. Wie viele Katzen, selbst unter den verzärtelten, können nun aber von sich behaupten, sie hätten sich beim langen Fall von einem Möbelstück einen Knochen gebrochen?
Dieser seltsamen Episode können wir also getrost symbolischen Wert zuschreiben, sie als frühe Vorahnung vom Niedergang
und anschließenden Zusammenbruch des
Sozialismus interpretieren.
Blums Leben war eine Kette von dramatischen und widrigen Umständen, gegen die er tapfer kämpfte. Er wurde in eine reiche Familie geboren, schloss sein Studium an der Sorbonne mit höchsten Auszeichnungen ab und begann seine Karriere als Schriftsteller und politischer Aktivist. Sein Einstieg in die Politik war die berühmte Dreyfus-Affäre, die 1894 begann und die Nation – und die Salons – drei Jahre lang in zwei feindliche Lager spaltete: die »Republikaner«, die anders als im heutigen Amerika eher linksgerichtete Feinde des Klerus waren, gegen die »Rechten«, die nationalistisch und pro Armee eingestellt waren.
Natürlich schlug sich Blum auf die Seite der Linken (man hatte Dreyfus, einem jüdischen Offizier, gefälschte Dokumente untergeschoben und ihn deswegen angeklagt). An deren Spitze standen Clemenceau (siehe dort) und Emile Zola (übrigens Besitzer einer Katze namens Monouche), der mit seinem Werk
›J’accuse – Ich klage an‹ den Fall weltweit bekannt machte. In den Reihen der rechtsgerichteten Katzenfreunde fanden sich Edmond de Goncourt und sein Bruder, eine literarische Berühmtheit (dessen Katze Mie in seinen Armen lag, als er starb).
Nachdem Blum während der turbulenten und
skandalträchtigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg am Aufbau der sozialistischen Partei mitgearbeitet hatte, wurde er 1936
Ministerpräsident. Innenpolitisch hatte er mit sozialen Problemen und außenpolitisch mit der wachsenden
internationalen Krise zu kämpfen. 1937 trat er zurück, nachdem das Parlament sich geweigert hatte, ihm
Notstandsvollmachten zu
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