Charles
Sie sich bitte keine Gedanken über das, was auf Sawyers Hochzeit vorgefallen ist.“
Als der Kellner kam, gaben sie ihre Bestellung auf. Lanni hatte überhaupt keinen Appetit, weil sie viel zu nervös war, um ans Essen zu denken.
„Wie geht es Ihnen?“ erkundigte sich Ellen.
Lanni wusste nicht, ob ihre Frage eine tiefere Bedeutung hatte. „Oh, gut, danke. Und Ihnen?“
Ellen nickte. „Ich möchte mich eigentlich nicht mit Smalltalk aufhalten, aber ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Das alles ist so lange her, und ich weiß nicht, ob es gut ist, die Vergangenheit wieder aufzurollen.“
Lanni trank einen Schluck Wasser und bemerkte dabei, wie blass und mitgenommen Ellen aussah. „Bitte zwingen Sie sich zu nichts.“
Ellen schien ihre Bemerkung überhört zu haben. „Ich erinnere mich noch sehr gut an Ihre Mutter“, fuhr sie fort. „Kate war ein reizendes kleines Mädchen mit strahlenden Augen und langen, dicken Zöpfen. Ich habe sie oft gesehen, wenn sie ihre Mutter im Sommer besucht hat. Ich habe mir so sehr ein eigenes Kind gewünscht, und Catherine hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich damit zu ärgern.“
Lanni senkte den Blick. „Das tut mir Leid.“
„Nein, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen“, meinte Ellen und seufzte. „Schließlich habe ich Sie nicht zum Essen eingeladen, um mit Ihnen über die Fehler Ihrer Großmutter zu sprechen. Vielmehr wollte ich Ihnen von meinen erzählen.“
Nun fühlte Lanni sich noch unwohler, denn es war offensichtlich, dass Ellen unsicher war. Obwohl sie das Treffen vorgeschlagen hatte, schien sie zu bezweifeln, dass es eine gute Idee gewesen war.
„Soweit ich weiß, hegen beide Familien einen Groll gegeneinander“, meinte Lanni.
Ellen nickte unmerklich. „Das kann man wohl sagen.“
„Meiner Großmutter geht es gesundheitlich sehr schlecht.“
„Das tut mir Leid, ob Sie es glauben oder nicht.“
„Ich glaube Ihnen.“
Jetzt trank auch Ellen einen Schluck. Dabei machte sie sich offenbar auf etwas gefasst, denn nachdem sie ihr Glas wieder auf den Tisch gestellt hatte, straffte sie sich und spielte nervös mit ihren Händen.
„Es ist ein bisschen … ironisch, dass ich es ausgerechnet Ihnen erzähle. Meine Söhne wissen nämlich nichts davon, weil ich es fast fünfzig Jahre für mich behalten habe.“
Lanni war darüber auch erstaunt. Obwohl sie für sie eine Fremde und obendrein die Enkelin ihrer ältesten Feindin war, vertraute Ellen sich ihr an.
„Mrs. Greenleaf …“
„Bitte nennen Sie mich Ellen.“
„Ellen, ich glaube …“
Doch Ellen fuhr unbeirrt fort: „Der Fairness halber habe ich beschlossen, Charles auch darüber zu informieren und es ihm zu überlassen, ob er es Sawyer und Christian erzählen will.“
Lanni wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Ich glaube nicht, dass ich Charles wiedersehen werde“, erklärte sie schließlich.
„Das hoffe ich doch.“ Ellen seufzte wieder, während sie aus dem Fenster schaute. „Mein Sohn wird sein eigenes Leben leben und selbst Entscheidungen treffen. Was er mit dieser Information macht, hängt ganz von ihm ab. Dasselbe gilt auch für Sie.“
„Vielleicht sollten Sie es mir lieber nicht erzählen, Ellen.“
Ellen schüttelte den Kopf. „O doch. Ich werde es Ihnen später erklären.“
Im nächsten Moment brachte der Kellner ihnen das Essen, aber sie hatten beide wenig Appetit. Nachdem Lanni ein paar Shrimps gegessen hatte, stocherte sie lustlos in ihrem Salat herum.
Ellen hingegen schob ihren Salat beiseite und trank einen Schluck Wasser, bevor sie weitersprach. „Es fing alles kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs an. Meine Eltern kamen bei einem Bombenangriff in London ums Leben. Mein Bruder, der älter war als ich, war Bombenschütze, und sein Flugzeug wurde im Juni 1943 über Deutschland abgeschossen. Die einzige Angehörige, die ich noch hatte, war meine ältere Cousine Elizabeth.“
Lanni verspürte sofort Mitgefühl für sie, denn für sie wäre es furchtbar gewesen, ihre Familie zu verlieren. „Sie müssen sich sehr allein gefühlt haben.“
„Das habe ich auch. Ich war einsam und hatte schreckliche Angst. Dann habe ich einen jungen amerikanischen Soldaten kennen gelernt.“
Lanni war klar, dass David auch einsam gewesen sein musste, denn er war weit weg von zu Hause gewesen und hatte mit den Schrecken des Krieges und dem Tod seines Bruders fertig werden müssen.
„Wir haben uns ineinander verliebt. Ich habe nie wieder jemanden so geliebt wie
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