Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
das geht jetzt aber zu weit, Inga!«, drang die empörte Stimme von Herrn Kessler aus dem Stall. »Bist du zu faul, um abzusteigen?«
Ich spitzte die Ohren.
»Nein, ich … ich wollte noch in den Wald reiten«, erwiderte Inga kleinlaut.
»Wenn du dein Pferd nicht beherrschst, solltest du besser nicht alleine ins Gelände gehen«, kam es vom Reitlehrer wie eine kalte Dusche.
Wenig später erschien Inga mit grimmiger Miene in der Stalltür und zog ihr Pferd hinter sich her. Corsario legteunwillig die Ohren an. Er mochte schon ein älterer Herr sein, aber er hatte einen eigenen Kopf. Inga führte ihn bis zum Tor und stellte den Fuß in den Bügel. Mit einem flinken Satz warf sich Corsario herum und schlug wieder die Richtung ein, aus der er gekommen war. Inga hatte gerade noch rechtzeitig ihren Fuß aus dem Bügel befreien können.
»Komm, ich halte ihn fest, bis du oben bist«, bot Doro ihr bereitwillig an und griff nach Corsarios Zügel. Mittlerweile standen außer mir noch die drei anderen Reiterinnen aus der Stunde auf dem Hof.
»Lass das!«, fauchte Inga ihre Mitbesitzerin an. »Ich schaff das schon alleine!«
Doro zuckte die Schultern und trat ein paar Schritte zurück. Mit hochrotem Gesicht und einem Fuß im Steigbügel hüpfte Inga neben Corsario her, der nicht daran dachte, still stehen zu bleiben. In dem Moment trat die schöne Nicole Schröder aus der Stalltür. Sie war eine der besten Reiterinnen in unserem Verein, sah wirklich gut aus und wusste das leider auch. Kopfschüttelnd betrachtete sie das Schauspiel.
Irgendwie gelangte Inga schließlich in den Sattel, und sie manövrierte den Schimmelwallach unter Einsatz der Gerte in den Wald.
»Puh!«, stöhnte Doro. »Das wird ja immer krasser.«
Ich ließ die drei Damen mit Brutus, Liesbeth und Goldi vorbei.
»Sie hat das nur wegen mir gemacht«, vermutete ich. »Es war schon schlimm genug, dass der Kessler mich gelobt hat und sie nicht.«
»Warum kann sie denn nicht einsehen, dass sie nicht so gut reitet wie andere?« Doro schüttelte den Kopf. »Ist doch nicht so tragisch. Kaum einer hier reitet so gut wie Nicole oder Isa.«
Für die ehrgeizige Inga war es tragisch, ja, eine echte Katastrophe. Sie war so fest davon ausgegangen, dass sie mit einem eigenen Pferd, neuen Reitstiefeln und der teuren Reithose gleich drei Klassen besser reiten würde als ich, aber sie hatte sich vorhin in der Reitstunde nur blamiert.
Ich hielt den Mund. Doro würde schon merken, auf was sie sich tatsächlich eingelassen hatte. Wahrscheinlich dämmerte es ihr bereits.
»Hätte ich mich bloß nicht von ihr überreden lassen«, sagte sie nämlich gerade und warf mir einen zerknirschten Blick zu. »Ich hätte es wissen müssen, oder?«
»Tja, du kennst Inga.« Ich klopfte Hanko den Hals. »Aber zwischen uns wird sich nichts ändern und bald können wir zusammen ins Gelände reiten!«
Am Montag begann wieder die Schule; ich kam in die neunte Klasse. Morgens am Busbahnhof traf ich gleich meine Freundinnen Gunild und Michi, die genauso pferdeverrückt waren wie ich, aber in anderen Vereinen ritten. Natürlich erzählte ich ihnen haarklein alles, was in den Sommerferien passiert war, und sie versprachen, Won Da Pie sofort zu besichtigen, sobald er angekommen war. Die vergangenen Tage im Reitstall waren eine echte Qual gewesen! Zu gerne hätte ich jedem von meinem Pferd erzählt, aber stattdessen musste ich den Mund halten, denn schließlich wollte ich sie alle überraschen.
Am Sonntag hatte ich Doro beim Training zugesehen. Bei ihr ging Corsario schon anders, denn Doro konnte ein ganzes Stück besser reiten als Inga. Auch Oliver und Karsten hatte ich im Reitstall getroffen, es war also fast wie früher. Es machte mir auch gar nichts mehr aus, dass Gento nicht mehr da war, denn ich wusste, dass es ihm bei seinem neuen Besitzer gut ging. Der junge Mann, dem Gento jetzt gehörte, hatte eine eigene kleine Reitanlage, und auf seiner Visitenkarte hatte auch die Adresse seiner Website gestanden. Gestern Abend hatte mein Bruder Phil mir großzügig seinen Computer für eine Viertelstunde überlassen und ichhatte mir ausführlich die Website vom Wiesenmühlenhof angesehen. Ich hatte sogar Bilder von Gento gefunden! Der junge Mann hatte nicht gelogen, als er mir erzählt hatte, dass Gento bei ihm auf die Koppel gehen durfte. Jetzt, wo ich wusste, dass es ihm gut ging, konnte ich mich mit bestem Gewissen auf mein eigenes Pferd freuen.
Herr Kessler hatte mir einen ganzen Stapel
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