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Kreuzweg der Zeit

Kreuzweg der Zeit

Titel: Kreuzweg der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Prolog

    Der Büroraum war – bis auf einen Sitz, der wie eine Lade aus der sanft schimmernden Wand zu ziehen war – bar jeder Einrichtung. Der Bericht leuchtete dem Inspektor von der Schreibtischplatte in feuriger Schrift entgegen. Oder schienen ihm diese Lettern etwa bloß deswegen so feurig, weil sie möglicherweise das Herannahen eines Weltenbrandes, verschlüsselt im Idiom seiner Spezial-Sicherheitsabteilung, ankündigten? Seit seinem Dienstantritt vor drei Monaten – war es wirklich schon so lange her? – hatte er schlagartig den Glauben daran verloren, daß irgendeine Operation reibungslos ablaufen könnte. Die vergangene Erfahrung hatte gelehrt, daß die friedlichsten Landstriche die tückischsten Fallen bergen konnten.
    Jetzt lehnte er sich in dem Sitz zurück, der sich seiner Gestalt im passenden Winkel anglich. Seine Miene blieb unverändert, während seine Fingerspitzen nervös am Rand der Leseplatte entlangfuhr, von der ihm noch immer die Nachricht entgegenleuchtete. Er hatte schon zu viel Zeit damit vergeudet, aber immerhin:

    Geheimbericht: Hauptabteilung 1, Sonderinformation Projekt: 4678

    Art des Deliktes: Versuch der Beeinflussung einer anderen Geschichts-Entwicklungsstufe
    Agenten:
    Abteilungsleiter: Com Varlt, MW 69321
    Mannschaft: Horman Tilis MW 69345
    Fal Korf AW 70958
    Pague Lo Sig AW 70889

    Bisherige Maßnahmen:
    Observierte Person – Kmoat Vo Pranj – bis auf Stufen 415 bis 426 verfolgt. Hat Hauptbasis auf der für ihn geeignetsten Welt (E 641, vermerkt im Übersichtsplan Kol 30, 51446 E.C. als »kulturell tiefstehend, krisenhaft, verboten für alle, mit Ausnahme von Soziologie-Forschern, Rang 1–2«). Doch hält sich observierte Person vielleicht auf einer anderen Welt dieser Gruppe auf oder steht im Begriff, sich dorthin zu begeben.
    Tarnung: Wir benutzen Ausweise und Habitus von Mitgliedern der einheimischen Bundes-Exekutive im Rahmen deren bundesweiter Kompetenz (Federal Bureau of Investigation).
    Kulturtyp:
    Anbruch des Atomzeitalters – Einwohner scheinen auf dieser Stufe über keinerlei Psi-Kräfte zu verfügen – höchst unsichere Zivilisation – genau jener Typ, der Pranj anzieht.
    Anmerkungen:
    Unter diesen Anmerkungen kam immer das Wichtigste. Der Inspektor sah zu dem ruhigen, gleichmäßigen Schimmer der Wand ihm gegenüber auf. In letzter Zeit bekam man hier im Hauptquartier zu viele dieser Anmerkungen zu Gesicht. Ja, wenn er da draußen bei der aktiven Truppe gewesen wäre ... Er schüttelte den Kopf und bewies dann soviel Anstand, über diesen Anflug von Angeberei zu lächeln. Wichtig war, daß der Mann draußen im Einsatz wirklich Bescheid wußte. Er las den letzten Satz, auf Grund dessen er sodann seine Entscheidung treffen mußte.

    Anmerkungen:
    Erfolg der Operation muß als zweifelhaft angesehen werden – Gefahrenstufe eins – Einsatz bester Kräfte, Klassifikation unter 202 erforderlich.
    Com Varlt, diensthabender MW.

    Com Varlt! Der Inspektor betätigte mit einer seiner nervösen Fingerspitzen einen Knopf. Der Bericht erlosch jäh und an seine Stelle trat eine Serie von Code-Symbolen. Hm, dieser Agent hatte von allem Anfang an eine sehr eindrucksvolle Liste von Erfolgen zu bieten. Jetzt zögerte der Inspektor nicht mehr länger. Er drückte einen zweiten Knopf. Dabei fiel sein Lächeln fast grimmig aus. Varlt hatte darum gebeten – sein Wunsch sollte in Erfüllung gehen. Aber er täte gut daran, den bloß »zweifelhaften« Erfolg zu einem »befriedigenden« werden zu lassen! Auf der Leseplatte blitzte mit einem Klicken ein neuer Bericht auf, und der Inspektor widmete sich dem nächsten Fall.

1

    Das Fenster bildete ein Viereck aus grauem Licht an der Schmalseite des kleinen Hotelzimmers. Blake Walker betrachtete diesen Vorboten eines neuen Tages mit seltsamer Teilnahmslosigkeit. Er machte eine Bewegung, um die Zigarette im Aschenbecher neben dem Bett auszudrücken. Dann nahm er seine Uhr vom Tisch. Eine Minute nach sechs. Und was seit der ganzen vergangenen Stunde lauerte, mußte in unmittelbare Nähe gerückt sein ...
    Er stemmte seine einen Meter achtzig straffer Muskeln aus dem Bett hoch und schlurfte ins Bad, wo er den Rasierapparat einschaltete. Aus dem Spiegel starrten ihm seine Augen müde und schwarz, ohne Neugier und Interesse entgegen. Im künstlichen Licht wirkte sein Haar so schwarz wie Brauen und Wimpern – doch draußen, im Sonnenlicht, waren die Haare rot, so rot, daß man sie mahagonifarben nennen konnte. Nur seine Haut war nicht hell,

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