Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
mich so lange bequatscht, bis ich meine Eltern gefragt habe. Ich hätte viel lieber mit dir zusammen ein Pferd, Lotte. Ehrlich.«
Ich glaubte ihr.
»Ich hab’s zuerst gar nicht kapiert, aber Inga war immer neidisch auf uns.« Dorothee redete wie ein Wasserfall und war offensichtlich erleichtert darüber, endlich mit mir sprechen zu können. »Ich meine, sie hätte auch Beate fragen können oder irgendjemand sonst im Stall.«
»Warum hast du mir denn nichts davon geschrieben?«, forschte ich weiter. Zu leicht wollte ich es ihr auch nicht machen.
Doro ließ den Kopf hängen. »Ich konnte nicht«, gab meine Freundin zu. »Ich komme mir so mies vor, Lotte, das musst du mir glauben! Irgendwie dachte ich immer, ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn ich endlich ein Pferd hätte, aber Corsario macht mir überhaupt keinen Spaß. Weil … ich meine … du und ich wollten doch immer zusammen ein Pferd haben. Eigentlich waren es Ingas Eltern, die meine Eltern überzeugt haben.«
Wie hätte ich an ihrer Stelle gehandelt? Hätte ich es fertiggebracht, auf ein eigenes Pferd zu verzichten, nur um meine beste Freundin nicht zu verletzen?
Ich betrachtete Doro nachdenklich. Die Antwort war: Ja. Ja, ich hätte es nicht gemacht. Ich war sicherlich kein Engel, aber ich war im Allgemeinen sehr loyal, oft ein bisschen zuvertrauensselig und überhaupt nicht berechnend. Der Kauf von Corsario wäre zweifellos das Ende unserer Freundschaft gewesen, wahrscheinlich hätte ich den Reitstall nie wieder betreten, gäbe es da nicht Won Da Pie, der fünfzehnhundert Kilometer entfernt darauf wartete, auf einen Transporter nach Deutschland verladen zu werden.
»Ach, ist ja auch egal.« Ich zuckte die Schultern. Meine Enttäuschung verflog. »Ich finde es toll, dass du ein eigenes Pferd hast. Denn dann können wir bald zusammen reiten. Sogar ins Gelände und vielleicht auch irgendwann auf Turnieren.«
»Wieso denn das?«, fragte Doro begriffsstutzig.
»Ich hab dir auch was verschwiegen«, gab ich zu und senkte meine Stimme, obwohl ich am liebsten gejubelt hätte. »Zufällig haben meine Eltern mir vor drei Tagen auch ein Pferd gekauft. Es ist ein Wallach, sechs Jahre alt, und er heißt Won Da Pie. Am Dienstag kommt er hierher. Der Kessler weiß schon Bescheid.«
Dorothee starrte mich erst fassungslos an, aber dann breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus und sie war schlagartig wieder ganz die Alte.
»Mensch, Lotte, das ist obersuperspitzengenial!«
»Allerdings.« Ich grinste. »Jetzt haben wir nämlich sogar beide ein eigenes Pferd!«
»Mann, wie cool ist das denn?« Doro strahlte. »Wir müssen nie mehr Schulpferde reiten!«
»Wir können zusammen ausreiten, wann immer wir Lust dazu haben«, ergänzte ich.
»Und du kannst in den Herbstferien das Reitabzeichenmachen«, schwärmte Doro. »Wir werden gemeinsam in der Springstunde reiten! Das ist toll! Die anderen werden Augen machen!«
»Worauf du dich verlassen kannst!«
Wir grinsten uns an. Auch wenn Inga es gehofft haben mochte, es war ihr nicht gelungen, unsere Freundschaft zu zerstören.
»Ich hatte echt voll das schlechte Gewissen«, gestand Doro mir, als sich unsere erste, überschwängliche Freude gelegt hatte. »Aber Inga hat mich regelrecht erpresst. Als ich zunächst nicht wollte, hat sie geheult und hundertmal angerufen. Jetzt kapiere ich, wie gemein das von ihr gewesen ist.«
»Sie wollte mir eins auswischen«, erkannte ich nüchtern.
Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es schon kurz vor halb acht war.
»Ich muss nach Hause«, sagte ich. »Ich will nicht gleich am ersten Abend Krach mit meinen Eltern kriegen.«
»Dann sehen wir uns morgen«, erwiderte Doro. »Inga reitet Corsario um neun in der Reitstunde, trotz Gipsarm.«
Da kam mir eine Idee. Zu Hause lag noch meine letzte Zehnerkarte für Reitstunden, die ich in Zukunft nicht mehr brauchen würde. Zwei Reitstunden waren noch übrig.
»Weißt du was?«, sagte ich zu Doro. »Ich reite auch mit. Zum letzten Mal auf einem Schulpferd.«
Wir liefen in die Sattelkammer, die gleichzeitig als Büro diente. Auf dem Schreibtisch lag das dicke Terminbuch, in das die Reitstunden eingetragen wurden. Bei der Stundeum neun Uhr standen erst drei Namen. Ich schrieb meinen dazu. Mal sehen, was ich bei Nicolas in den vier Wochen auf Noirmoutier wirklich gelernt hatte!
Bis abends um zehn hatten Doro und ich gequatscht. Das war der Vorteil, wenn man direkt neben seiner besten Freundin wohnte – wir brauchten nicht mal ein
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