Charlottes Traumpferd
wiedersehen?
»Charlotte, wir müssen allmählich los.« Papa warf einen Blick auf seine Uhr.
Ich führte Won Da Pie zurück in seine Box. In vier Tagen würde er von Nantes aus mit dem Lkw einer Pferdespedition zu uns gebracht werden. Nicolas hatte versprochen, alle Vorkehrungen für diese Reise zu treffen und uns dann anzurufen. Papa und er hatten Handynummern und Adressen getauscht.
Ich verabschiedete mich von meinem Pferd, dann war Sophie an der Reihe, danach Cécile und Rémy.
»Wir sollten unbedingt in Kontakt bleiben«, schlug Véronique vor und gab mir links und rechts ein Küsschen auf die Wange. »Vielleicht sehen wir uns ja nächsten Sommer wieder.«
»Auf jeden Fall mailst du uns, wie es dir und Won Da Pie ergeht, abgemacht?« Nicolas schüttelte mir die Hand und umarmte mich dann herzlich. »Ich bin sehr stolz auf dich, Charlotte. Und ich bin ganz sicher, dass du eine gute Reiterin wirst. Du hast das Zeug dazu. Gib niemals auf, wenn es mal Probleme gibt. Okay?«
»Okay«, flüsterte ich gerührt. »Und danke. Für alles. Es war einfach ⦠einfach toll bei euch.«
Ich spürte, wie mir schon wieder die Tränen in die Augen traten. Abschiede waren schrecklich, auch wenn ich das beste aller Pferde mitnehmen würde. In den vergangenen Wochen war der Club mit seinen Leuten eine zweite Heimat geworden, die ich niemals vergessen würde.
»Au revoir«, sagte Thierry und gab mir auch zwei Küsschen, wie es in Frankreich so üblich ist. »Wird ganz schön langweilig ohne dich.«
»Jetzt hast du niemanden mehr, über den du dich lustig machen kannst«, sagte ich und grinste.
»Und niemanden, der mich beim Wettrennen schlägt«, Thierry grinste auch. »Komm uns mal in Paris besuchen. Im Bois de Boulogne kann man auch super reiten.«
»Klar.« Ich wusste, dass ich dieses Grinsen vermissen würde. »Mach ich bestimmt.«
Ein letzter Blick, dann folgte ich Papa und meinen Geschwistern schweren Herzens zum Auto. Sie waren schon eingestiegen und ich öffnete gerade die Beifahrertür, als jemand meinen Namen rief.
»Charlotte! Warte!«
Ich wandte mich erstaunt um. Thierry kam durch den Paddock gerannt und blieb vor mir stehen.
»Ich ⦠äh â¦Â« Er kramte in seiner Hosentasche und förderte zu meinem Erstaunen eine verknickte Visitenkarte zutage. »Das sind meine Handynummer und meine E-Mail-Adresse. Ich bin übrigens auch bei Facebook. Vielleicht ⦠vielleicht bleiben wir so in Kontakt. Okay?«
»Da ⦠danke«, stotterte ich überrascht.
Er lächelte verlegen.
»Wir sehen uns wieder, abgemacht?«, fragte er.
Ich nickte und da umarmte er mich kurz und heftig. Mir war schwindelig und ein ganzer Schwarm Schmetterlinge flatterte durch meinen Bauch, als er mich wieder loslieÃ. Ein letzter Blick in seine blauen Augen.
» A bientôt, Charlotte!«, sagte er rau.
»A bientôt!«, flüsterte ich.
Tränen brannten hinter meinen Augen, ich hatte zittrige Beine und war ganz benommen, als ich ins Auto stieg und das Fenster herunterlieÃ. Won Da Pie und die anderen Pferde blickten auf der anderen Seite des Paddocks, auf dem ich so viele Stunden verbracht hatte, aus ihren Boxen. Nicolas, Véronique, Cécile, Rémy und Sophie waren Thierry gefolgt. Sie standen vor dem Büro und ihr Anblick, der mir so vertraut geworden war, schnitt mir ins Herz. Wie sehr würden sie mir fehlen, sie alle!
Ich winkte und sie winkten mir nach, bis Papa auf die LandstraÃe abbog und der Club nicht mehr zu sehen war. Wie oft war ich diese StraÃe entlanggeradelt! Ich kannte jede Hecke, jedes Verkehrsschild, jeden Busch und jeden Baum. Nun war diese wundervolle Zeit vorbei. Stumm wischte ich mir die Tränen vom Gesicht. Obwohl es traurig war, Abschied nehmen zu müssen, war es kein Ende. Es war ein Anfang. Der Anfang eines neuen Lebens. Mit Won Da Pie.
Neuhaus, Nele:
Charlottes Traumpferd
ISBN 978 3 522 65147 9
Einbandgestaltung: Maria Seidel
E-Book-Konvertierung: CPIÂ â Ebner & Spiegel, Ulm
© 2012 by Planet Girl Verlag
(Thienemann Verlag GmbH), Stuttgart/Wien
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Leseempfehlung: Nele Neuhaus, Elena.
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