Charlottes Traumpferd
nahm noch einen Schluck Wein und sah in die Runde. »Charlotte hat sich in den letzten Wochen groÃe Verdienste um dieses Pferd erworben. Ich hatte das Pferd von einem befreundeten Springreiter gekauft, ohne zu wissen, dass es offensichtlich durch einige Hände gegangen und wegen seines Temperaments nicht immer gut behandelt worden war. Es ist kein ganz einfaches Tier. Charlotte ist es mit sehr viel Geduld gelungen, sein angeknackstes Vertrauen zu Menschen wieder herzustellen. Sie hat ihn gepflegt, geritten und zu guter Letzt auch noch dieses Abenteuer mit ihm bestanden.«
Er lächelte mich an.
»Hm«, sagte er dann. »Won Da Pie â wie Charlotte ihngetauft hat â ist zu schade für unseren Reitbetrieb. Er ist viel zu sensibel, als dass er dauernd von verschiedenen und schlechten Reitern geritten werden sollte. Véronique und ich sind uns einig, dass wir ihn wieder verkaufen wollen.«
Ich saà da, starr vor Schreck und schwer von Begriff. Sie wollten ihn verkaufen! In wessen Hände würde Won Da Pie dann wohl geraten?
»Charlotte hat uns erzählt, dass sie in Deutschland gerade erst ihr Pflegepferd verloren hat«, fuhr Véronique nun fort und lächelte mir zu. »Wir würden Won Da Pie gerne an dich verkaufen, wenn deine Eltern einverstanden sind.«
Einen Moment herrschte Totenstille. Die Standuhr neben dem Kamin schlug elf. Ich hielt den Atem an. Das träumte ich doch sicher alles nur! Meine Eltern sahen sich an. Sie schienen nicht besonders überrascht zu sein.
»Wir haben uns schon seit Längerem überlegt, für Charlotte ein Pferd zu kaufen«, sagte Papa schlieÃlich. »Eigentlich wollten wir noch ein oder zwei Jahre warten, um zu sehen, ob sie auch wirklich bei der Sache bleibt. Aber ich denke, sie hat bewiesen, dass sie zuverlässig und begeistert genug ist. Natürlich können wir kein Vermögen bezahlen.«
Mir klappte der Mund auf.
»Ich habe das Pferd für viertausend Euro gekauft«, erwiderte Nicolas. »Auch wenn es eine sehr gute Abstammung hat, so ist es doch noch jung und kann noch nicht sehr viel. Das wäre der Preis, den ich gerne wieder für ihn hätte.«
Viertausend Euro! Das konnte ich sogar beinahe von meinem Sparbuch bezahlen!
»Was denkst du?«, wandte Papa sich an Mama.
»Ich denke, wir fragen Charlotte«, antwortete Mama. »Immerhin ist sie es, die sich um das Pferd kümmern muss. Das können wir ja nicht. Wenn sie das Pferd haben will, dann â¦Â«
Der Rest des Satzes ging in meinem Jubel unter. Ich sprang so heftig auf, dass mein Stuhl mit einem Knall auf den Boden krachte. Alissa begann zu bellen. Ich fiel Mama um den Hals und diesmal kamen mir die Tränen vor lauter Glück. Phil lieà sich auch zu einem Grinsen herab, Cathrin und Flori tanzten aufgeregt um mich herum. Ich umarmte meine Geschwister, Papa und dann Véronique.
»Bei dir wird er es gut haben.« Sie verzog das Gesicht, als ich sie heftig drückte. »Autsch, meine armen Rippen!«
Ich konnte es nicht fassen! Meine Eltern kauften mir Won Da Pie!
Nicolas und Véronique lächelten, meine Geschwister grinsten und Papa und Nicolas besiegelten den Pferdekauf mit einem Handschlag.
»Philipp«, sagte Papa zu meinem groÃen Bruder. »Hol doch mal die Flasche Champagner aus dem Kühlschrank. Das müssen wir mit einem guten Tropfen begieÃen. SchlieÃlich kaufen wir nicht alle Tage ein Pferd.«
»Na, wenn du es dir jetzt noch leisten kannst, Champagner zu trinken«, bemerkte Phil, und alle lachten.
Er kehrte mit der Flasche zurück, Papa öffnete sie und der Korken knallte an die Decke.
»Können wir nicht noch mal schnell zu ihm hinfahren?«, bat ich.
»Morgen ist es früh genug.« Mama füllte die Sektgläser. Sogar Phil und ich bekamen zur Feier des Tages ein halbes Glas Champagner.
»Auf unser neues Familienmitglied.« Papa hob sein Glas und wir taten es ihm nach. »Wie heiÃt es noch?«
»Won Da Pie«, sagte ich stolz. »Den Namen vergisst man nicht so schnell.«
»Wenn man ihn sich überhaupt merken kann«, erwiderte Flori trocken, und wir stieÃen alle an.
Als ich aufwachte, fiel die Morgensonne durch die Ritzen der Schlagläden und zeichnete helle Flecken auf den gelben SteinfuÃboden. In wildem Durcheinander lagen meine Kleider herum. Ich brauchte einen Moment, um mich an die Ereignisse des
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