Charmant und unwiderstehlich
irgendetwas zaubern ließ.
Der Anrufbeantworter in der Küche blinkte. Zwei Nachrichten waren von Mrs.
Barker. Es ging um die Tapete für den Wandschrank des Schlafzimmers. Die dritte Nachricht war von Brad.
„Melissa, ich wollte mit dir reden, aber du warst gerade mit einem Kunden beschäftigt. Ich muss dringend nach Philadelphia. Ein… ein Mandant hat ein Problem, das nur ich lösen kann. Hoffentlich. Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Wahrscheinlich bin ich heute Abend schon wieder zurück, aber es hängt ganz davon ab, mit wem ich hier verhandeln muss. Ich weiß es noch nicht genau. Auf jeden Fall versuche ich, dich heute Abend noch mal anzurufen, aber vielleicht bin ich dann auch schon wieder auf dem Weg zu euch. Gib Annalise ein Küsschen von mir. Und warte nicht auf mich.“
Sofort hatte Melissa ein ungutes Gefühl im Magen. Irgendetwas war faul an der Sache. Sie spulte die Nachricht noch einmal ab und versuchte, irgendeine Auffälligkeit an Brads Stimme zu entdecken. Beim dritten Mal kam sie endlich drauf. Er klang genauso wie damals, als er sie wegen der Entwürfe für die Küche hinters Licht geführt hatte. Brad hatte sie wieder angelogen.
Sie setzte sich auf den Stuhl und dachte nach. Warum sollte er sie anlügen?
Hatte er eine andere? Sie schloss die Augen, als die Erinnerung an Lindsey Tanner in ihr aufstieg.
Nein. Entschlossen schob sie die Erinnerung zur Seite. Daran will ich nicht mehr denken.
Melissa hatte gerade das Mittagessen beendet, als das Telefon klingelte. Jerry rief an, weil er den Thermostat für die Warmwasserbereitung bei Brad montieren wollte. Brad hatte eigentlich wissen müssen, dass der Handwerker vorbeikommen wollte, aber er war nicht zu Hause gewesen und hatte den Haustürschlüssel auch nicht an der üblichen Stelle deponiert. Melissa versprach ihm, so schnell wie möglich zu Brad zu kommen und ihm aufzuschließen.
Es war ein klarer Herbstnachmittag, und nachdem sie Annalise gut eingepackt hatte, verstaute sie das Kind im Auto und fuhr zu Brad hinüber.
„Keine Ahnung, wie er das vergessen konnte“, meinte Jerry. „Außerdem benimmt er sich seit zwei Tagen irgendwie komisch.“
„Ist mir gar nicht aufgefallen“, erwiderte sie wie abwesend. Doch, korrigierte sie sich insgeheim, ein bisschen komisch war er schon.
Melissa gab dem Handwerker den Schlüssel zu Brads Haus. Jerry nahm ihn entgegen und zögerte. „Eigentlich habe ich Sie nicht damit belästigen wollen“, begann er dann. „Aber ich brauche Ihren Rat, was die Kacheln am Kamin betrifft.
Ich bin mir nicht ganz sicher, dass wir das bestellt haben, was Sie sich wünschen. Wollen Sie vielleicht kurz einen Blick darauf werfen?“
„Warum hat er kein Wort davon gesagt? Will er mich etwa immer noch schonen?
Moment mal, ich hole Annalise und bin gleich wieder bei Ihnen.“ Melissa löste den Babysitz aus dem Wagen und folgte Jerry ins Haus. Annalise schlief friedlich in ihrem Sitz. Melissa stellte ihn auf dem großen Tisch im Wohnzimmer ab und setzte sich in den Sessel, um den Reißverschluss von Annalises Schneeanzug aufzuziehen. Plötzlich las sie ihren Namen auf einem Blatt Papier. Oben auf dem Blatt erkannte sie einen offiziellen Briefkopf. Es kam vom Gericht. Sie griff nach dem Blatt und begann zu lesen.
Landgericht von St. Marys County, Maryland…In der Sache der minderjährigen Annalise Abell… Sorgerecht… Marcus Costain und Pamela Costain vs. Melissa Abell. Miss Abell wird vorgeworfen…
Ihr Herz wollte vor Schmerz fast zerspringen. Das können sie nicht machen, schrie es in ihr. Brads Eltern können nicht einfach das Sorgerecht verlangen!
Voller Wut sprang sie auf. Sie behaupteten einfach, dass sie ihr Kind niemals hatte bekommen wollen! Sie wollten ihr das Baby wegnehmen! Niemals würde sie das zulassen.
Was noch wichtiger war: Brad auch nicht. Jedenfalls nicht ohne Kampf. Aber wie war er an diese Papiere gekommen? Plötzlich fiel ihr ein, dass er seit zwei Tagen mit ihnen gerechnet haben musste. Was hatte Jerry gesagt? Seit zwei Tagen benimmt er sich irgendwie komisch.
Also hatte er sich Sorgen gemacht, und er hatte seine Sorgen von ihr fern halten wollen. Deshalb musste er die Papiere abgefangen haben. Und deshalb war er so nervös gewesen.
Sie versuchte, sich an den genauen Wortlaut seiner Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu erinnern. Er fiel ihr nicht mehr ein, aber sie hatte die Nachricht noch nicht gelöscht. Ohne jedes Zögern eilte sie zum nächsten Telefon, wählte ihre
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