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Chemie der Tränen

Chemie der Tränen

Titel: Chemie der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Carey
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erschreckten eine sehr kleine, brilletragende Frau, die an einer Nähmaschine saß.
    Die nächste Tür, die richtige Tür, wollte sich erst nicht öffnen lassen, bis sie sich dann doch mit Schwung in den Angeln drehte und gegen die Wand krachte. Ich verharrte so reglos wie der ganze Annex, dieser brutale Betonkasten. Uhrmacher mögen keine fremden Vibrationen, also ging man davon aus, dass dies ein ›guter‹ Ort für mich war. Ich fühlte mich schrecklich beengt.
    Es gab drei hohe, von Morgenlicht erfüllte Werkstattfenster, doch war ich klug genug, die Jalousien nicht aufzuziehen.
    Aufgereiht entlang der Wand standen acht Teekisten und vier lange Holzkästen unter den Jalousien.
    War ich der erste Konservator der Welt, der eine Kiste nicht aufmachen wollte?
    Stattdessen öffnete ich eine Tür. Meine Werkstatt besaß ein eigenes Bad.
En suite
, wie man so sagt. Die Miene meines Gönners verriet, dass ich mich darüber freuen sollte. Ich entdeckte einen Kittel und hüllte mich darin ein.
    Als ich zurückkam, warteten Eric und die Teekisten auf mich. Plötzlich war ich mir sicher, es mit einer grässlichen Sippschaft Rauch ausblasender, mechanischer Affen zu tun zu haben. Sir Kenneth Claringbold besaß eine gruselige Sammlung von Apparaturen, mechanischen Chinesen und singenden Mädchen aller Art. Bei meiner ersten Aufgabe im Swinburne hatte es sich übrigens um eines seiner Geschenke ans Museum gehandelt, um einen Affen.
    Dieser besondere Affe besaß durchaus eine gewisse Eleganz, sah man einmal davon ab, wie er die Lippen zu einem Lächeln hochzog, und doch fand ich ihn für ein nach der strengen, rationalen Raffinesse eines Uhrwerks geformtes Wesen unfassbar grässlich. Er bereitete mir Kopfschmerzen und löste Asthmaanfälle aus, weshalb ich ihm, um die Restaurierung beenden zu können, schließlich eine Papiertüte über den Kopf stülpen musste.
    Später gab es da einen rauchenden Chinamann, der nicht gar so grässlich war, doch ging von diesen Abbildern des Lebens unter allen Umständen etwas extrem Verstörendes aus, und der Gedanke, dass Eric mich eben damit trösten wollte, ließ mich immer aufgebrachter durch meine neue Werkstatt stöbern – acht Teekisten waren allerdings weit mehr, als man brauchte, um eine Uhr aufzubewahren.
    »Wollen Sie nicht nachsehen, was drin ist?«
    Ich meinte, ein Geheimnis aus Erics Mundwinkeln herauslesen zu können, eine Bewegung unter den Schnurrbartfransen.
    »Ist es was mit Stoffen?«, wollte ich wissen.
    »Warum schauen Sie sich Ihr Geschenk nicht an?«
    Er redete mit Catherine Gehrig, die er so gut kannte, lange schon, seit vielen Jahren. Er hatte mich in äußerst stressigen Situationen erlebt (in gefährlichen, aus Museumsperspektive), und ich hatte ihm keine Gelegenheit gegeben, mich anders als gefasst und vernünftig zu sehen. Ihm gefiel, dass ich nie die Nerven zu verlieren schien. Eric dagegen liebte die großen Emotionen, die grotesken Effekte, Sing-Songs und die Oper. Wenn er an mir etwas auszusetzen fand, dann höchstens, dass ich zu vorsichtig und zurückhaltend war.
    Eric hatte daher keine Ahnung, dass die momentane Nutznießerin seiner Freundlichkeiten zu einer irren, wild surrenden Maschine wie jene Plastik von Jean Tinguely geworden war, geschaffen, um sich selbst zu zerstören.
    Er wollte, dass ich mir sein Geschenk anschaute. Er wusste nicht, dass es mich zerreißen würde.
    »Eric, bitte, ich kann nicht.«
    Dann sah ich, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Er ärgerte sich über mich. Wie konnte das sein?
    Im Brennstrahl seines scharfen Blicks begriff ich plötzlich, dass er jede Menge Strippen gezogen und vielen Leuten ans Bein gepinkelt hatte, um mich Backstreet Girl irgendwo unterzubringen, wo meine Gefühle niemanden störten. Um Matthews willen kümmerte er sich um mich, aber auch dem Museum zuliebe.
    »Es tut mir leid, Eric. Ehrlich.«
    »Tja, ich fürchte, wenn Sie rauchen wollen, müssen Sie durch die Sicherheitskontrolle. Rauchen Sie noch?«
    »Versprechen Sie mir nur, dass es kein Affe ist.«
    Tränen stiegen mir in die Augen. Du lieber Dummkopf, dachte ich, bitte gehe einfach.
    »Herrje«, sagte er, »das ist alles so schrecklich.«
    »Sie sind so lieb zu mir«, sagte ich. »Wirklich.« Einen Moment lang rutschte ihm da die Maske vom Gesicht, doch fing er sich zum Glück gleich wieder.
    Die Tür schloss sich, und er war fort.

3
    Mitten in der Nacht verlor ich Matthews Hut und drehte durch vor lauter Panik, zog das Bett ab, stieß die

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