Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
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Regungslos verharrte Kainda in der Bewegung, alle Sinne auf die Umgebung ausgerichtet. Der Mann, der sie verfolgte, war immer noch da. Sie konnte ihn zwar nicht sehen oder hören, aber sie roch ihn. Die Mischung aus billigem Aftershave und kaltem Zigarettenrauch ließ Übelkeit in ihr aufsteigen. Wie war es möglich, dass sie ihn nicht abschütteln konnte? Der Sender in ihrem Nacken war vernichtet worden, und sie war inzwischen Hunderte von Kilometern von ihrem zuletzt bekannten Standort entfernt. Trotzdem war er ständig hinter ihr, seit sie hinter Temecula ein Stück der Senke entlang des Escondido Freeways gefolgt war, da sie nicht genug Kraft hatte, die Berge zu überqueren, und ihr auch die Zeit fehlte. Oder hatte er ihre Spur schon früher aufgenommen, als sie das Haus durchsuchte, in dem der Jäger lebte, der sie vor sechs Monaten in Afrika gefangen genommen und nach Amerika gebracht hatte? Es war ein Risiko gewesen, dort einzudringen, aber sie musste es eingehen, denn Gowan hatte ihre Kooperation mit der Drohung erzwungen, die Beweise für ihre Existenz, die Existenz von Wandlern, wie sie es war, weiterzugeben, wenn sie nicht taten, was er ihnen befahl.
Nun war Gowan seit fast drei Monaten tot, einer der Berglöwenwandler hatte ihm die Kehle herausgerissen. Was Kainda hätte freuen sollen, wenn es nicht ohne den Jäger noch viel schwieriger wäre, wieder nach Hause zu kommen. Deshalb hatte sie in seinem Haus nach diesen Beweisen gesucht, doch bis auf einige schäbige Möbel und ausgestopfte Tiere war es leer gewesen. Vermutlich hatte bereits jemand alle persönlichen Gegenstände und Unterlagen an sich genommen und wusste nun über die Wandler Bescheid. Oder es gab jemanden, der schon die ganze Zeit darüber informiert war. Gowan hatte sein Wort vielleicht nicht gehalten und nicht über das geschwiegen, was sie waren. Konnte es sein, dass der Verfolger schon seit Wochen hinter ihr her war?
Doch sie konnte nicht aufgeben, sie musste einen anderen Weg finden, wie sie und ihre Schwester Jamila nach Afrika zurückkehren konnten. Bislang war sie leider wenig erfolgreich gewesen, denn ohne Papiere und Geld würden sie nie Flugtickets bekommen. Ganz abgesehen davon, dass sie nicht wusste, wie sich ein Flug auf ihren Organismus auswirken würde. Es wäre vermutlich ungünstig, sich in der Kabine vor allen Leuten in einen Leoparden zu verwandeln. Auf dem Hinweg war sie betäubt und zusammen mit ihrer Schwester in einen Käfig im Laderaum des Flugzeugs eingesperrt gewesen, als wären sie normale Tiere, deshalb war ihre Besonderheit niemandem aufgefallen. Was würde jedoch passieren, wenn sie als normale Passagiere an Bord gingen? Und welche Alternativen gab es? Die Suche dauerte jetzt schon wesentlich länger, als Kainda geplant hatte, und sie war nur froh, dass sie Jamila im Lager der Berglöwenwandler zurückgelassen hatte, wo sie in Sicherheit war und sich ausruhen konnte.
Der Gestank wurde stärker, ein leises Knacken war zu hören. Kainda schüttelte alle Gedanken ab und konzentrierte sich darauf, noch stärker mit der Umgebung zu verschmelzen. Jetzt wünschte sie sich die tiefen Wälder rund um den Yosemite National Park zurück, auch wenn sie ihr erst so fremd erschienen waren. Hier in Südkalifornien war es wesentlich trockener, die Vegetation spärlicher. Ähnlich wie in Afrika. Unwillig fletschte Kainda die Zähne. Nichts konnte es mit ihrem Zuhause aufnehmen, weder die Natur noch die Menschen, und erst recht keine Berglöwen. Tatsache war, dass ihr Verfolger sie in Richtung der Städte trieb und sie sich schnell etwas ausdenken musste, wie sie ihm entkommen oder ihn überwältigen konnte. Vor einigen Monaten war sie gezwungen gewesen, einen Mann zu töten, weil ihre Schwester und sie sonst von Gowan, der sie gefangen hielt, umgebracht worden wären. Das wollte sie nie wieder tun müssen, und sie hasste es, schon wieder so in die Enge gedrängt zu werden.
Kainda schlich um eine Baumgruppe herum, um sich dem Mann von der anderen Seite zu nähern, wo er sie nicht erwarten würde. Trockene Blätter streiften raschelnd ihr Fell. Sofort erstarrte Kainda und lauschte. Von ihrem Verfolger war kein Laut zu hören. Sein Geruch war weniger intensiv, als hätte er sich von ihr entfernt. Gut so, vielleicht hatte er erkannt, wie aussichtslos es war, sie einfangen zu wollen. Sie würde noch einige Minuten abwarten und dann ihren Weg fortsetzen. Wenn sie Glück hatte, würde sie bei der Gelegenheit auch etwas zu
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