Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
Sie, solange noch Zeit ist!«
»Ein Wolf? Dein Schutzgeist?« Er lachte höhnisch. »Wo hast du denn den Blödsinn her? Seit wann tun sich Wölfe mit verrückten Weibern wie dir zusammen?« Er zielte mit dem Gewehr auf sie. »Genau zwischen die Augen!«
Noch bevor er den Finger um den Abzug krümmen konnte, ertönte ein bedrohliches Fauchen hinter ihm. Wie aus dem Nichts sprang ihn Bones an, die Reißzähne entblößt und zum Töten bereit, und stieß ihm die Waffe aus der Hand. Whittler stürzte entsetzt zu Boden, hob beide Arme vor sein Gesicht, als ihm der übel riechende Atem des Wolfes entgegenschlug, und hätte den tödlichen Biss dennoch nicht verhindern können. Speichel tropfte ihm ins Gesicht.
»Bones! Lass ihn!«, rief Clarissa gegen ihren Willen.
Der Wolf ließ von Whittler ab, blieb aber vor ihm stehen und blickte ihn drohend an, jederzeit bereit, ihm die Kehle durchzubeißen. Whittler stützte sich mit beiden Händen ab und rutschte in panischer Angst von ihm weg. »Sag der Bestie, dass sie verschwinden soll! Schick ihn weg, verdammt!«
Clarissa dachte nicht daran. »Verschwinden Sie, Mister Whittler! Und lassen Sie sich nie mehr in meiner Nähe blicken, denn Bones ist immer in meiner Nähe, und noch einmal werde ich ihn nicht zurückhalten! Gehen Sie!«
Diesmal gehorchte Whittler. Er stand vorsichtig auf, ließ den Wolf dabei nicht aus den Augen, und wich rückwärts zwischen die Bäume zurück, drehte sich plötzlich um und rannte davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Wenig später drang Hufschlag durch den Wald. Frank Whittler gab Fersengeld.
Clarissa wusste nicht, ob sie wach war oder träumte. Erst jetzt, als Whittler verschwunden war, wurde ihr bewusst, wie nahe sie dem Tod gewesen war. Sie sank erschöpft auf die Knie. Plötzlich drehte sich alles vor ihr, und sie sackte zur Seite in den Schnee, schloss verwirrt die Augen und versuchte angestrengt, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Im Unterbewusstsein spürte sie, wie sich Bones neben sie legte und sie mit seinem Körper wärmte.
Als sie aufwachte, war Bones verschwunden, und stattdessen glaubte sie ein Gesicht über sich zu erkennen. Sie wehrte sich gegen die Benommenheit, die ihren Körper noch immer lähmte, und wartete geduldig, bis ihre Sicht klarer wurde. Ein Gesicht, ein vertrautes Gesicht, und ein verschmitztes Lächeln, das nur einem Mann gehören konnte.
Sie glaubte sich in einem Traum, schloss die Augen und öffnete sie wieder, doch er war immer noch da und blickte ihr mitfühlend in die Augen. Ein gütiges Schicksal hatte ihn auf denselben Trail geschickt wie sie.
»Alex!«, flüsterte sie. »Alex! Alex!«
Er zog sie vorsichtig vom Boden hoch, und sie lagen sich minutenlang stumm in den Armen. Über seine Schulter hinweg sah sie einen Hundeschlitten zwischen den Bäumen stehen. »Billy!«, erkannte sie den Leithund sofort. »Smoky! Cloud! Rick! Waco! Buffalo! Chilco!« Die Namen der Huskys gingen ihr wie selbstverständlich über die Lippen. »Alex!« Sie nahm den Kopf von seiner Schulter und blickte ihm in die Augen. »Sag mir, dass ich nicht träume, Alex! Komm bloß nicht auf die Idee und sag mir, ich würde mir das alles nur einbilden. Du bist es doch? Du bist es doch wirklich, Alex, oder?«
»Whittler wollte mich umbringen, und wenn mich dieser verrückte Oldtimer nicht aus dem Fraser gefischt und versteckt hätte, wäre es ihm auch gelungen. Ein Fallensteller, den ich von früher kannte. Ich war ziemlich am Ende, sonst hätte ich schon eher nach dir gesucht. Whittler hat aufgegeben.«
»Ich weiß. Bones musste etwas nachhelfen.«
»Bones? Erzähl mir nicht …«
»Wo waren die Huskys?«, fragte sie schnell.
»Bei der Witwe Barnes. Ich bin ihr einiges schuldig.«
»Mir auch.«
»Dir?«
»Ein ganzes Leben. Und jetzt küss mich endlich, Alex!«
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